Auf dem spanischen Jakobsweg
dieser Ferdinand, und wie kam es, dass zu Beginn des 13.
Jahrhunderts Kastilien, das doch lange Zeit nur eine unbedeutende Grafschaft
zwischen den Königreichen Navarra im Osten und León im Westen war, die
Reconquista anführte?
Auf der
Iberischen Halbinsel hatte sich vieles geändert. Nach über fünfhundert Jahren
islamischer Herrschaft und nach wechselvollen blutigen Auseinandersetzungen mit
der Reconquista schien diese stark genug, um, von Granada abgesehen, die
letzten maurischen Bastionen zu nehmen. In der Tat war zwischenzeitlich das
Königreich Kastilien mit Ferdinand III., dem Heiligen, die Speerspitze dieser
Bewegung. Diese Rolle spielte das so dominante Kastilien aber keineswegs von An
fang a n , und auch das Königreich Navarra mit Aragón hatte erst etwa 200 Jahre
nach dem Einfall der Mauren damit begonnen, seine Kräfte gegen die Muslime zu
bündeln und diese systematisch und dauerhaft zurückzudrängen. Um aber an den
Ursprung der Reconquista zu kommen, müssen wir noch weit nach Westen, nach Asturien
wandern und dabei in eine sehr frühe Zeit zurückblicken.
Um das Jahr
717, die Mauren hatten gerade erst vor ein paar Jahren dem Westgotenreich den
Todesstoß versetzt, regierte im heutigen Gijon, ganz im Norden an der Küste des
Atlantiks, bereits der Berber Munusa als maurischer Gouverneur über die alte
Provinz Asturien. Das war zwar sehr schön für ihn, dass er es so weit gebracht
hatte, doch konnte er sich nicht so richtig auf seine Amtsgeschäfte konzentrieren.
Eine Frau, noch dazu eine blonde hochgewachsene Gotin aus dem besiegten Volk
der Westgoten, ging ihm nicht aus dem Kopf. Eine Adlige war sie obendrein. Aber
bei diesen Germaninnen war das alles nicht ganz so einfach wie zu Hause im
Atlasgebirge, die hatten auch eigene Vorstellungen. Und schien sie neulich
nicht sogar ein wenig amüsiert, weil er, der Gouverneur, kurzwüchsig war,
jedenfalls wenn er neben ihr stand? Sie hatte es nicht gesagt, aber ihren Augen
sah er an, was sie dachte, nämlich dass er ein kleiner Knopf sei. Ein Seufzer
ging ihm über die Lippen, als er jetzt noch einmal an dieses Zusammentreffen
dachte. Aber vielleicht könnte man mit ihrem Bruder Pelayo die Sache doch noch zum Laufen bringen?
Dieser Pelayo aber, vor kurzem noch ein Waffengefährte des gefallenen
Westgotenkönigs Roderich, wagt es doch glatt, ihm die Türe zu zeigen. Da hat er
aber mit seinen schwarzen Augen gerollt, der Herr Gouverneur, und beleidigt war
er auch. Warte nur, Bürschchen! Pelayo wurde noch in der gleichen Nacht
verhaftet und als Geißel nach Cordoba, dem Sitz der herrschenden
Omayaden-Dynastie verschleppt. Dort aber musste es gewisse Mängel in der
Bewachung gegeben haben. Jedenfalls brach Pelayo schon nach kurzer Zeit aus und
floh mit einem gestohlenen Pferd nordwärts. Die Mauren ahnten wohl, dass ihnen
da kein kleines, zartes Vögelchen entfleucht war. Ganz so, als handelte es sich
bei Pelayo bereits jetzt schon um den Staatsfeind Nummer eins, hetzten sie ihm
ein großes Aufgebot hinterher. Vergebens! Pelayo entkam seinen Häschern, er
hatte ein sehr schnelles Pferd gestohlen und verstand etwas von Pferden, aber
auch von aufrührerischen Reden. So floh er in die asturischen Berge, dorthin,
wo diese am unzugänglichsten waren und wiegelte die Bergbevölkerung gegen die
maurischen Eindringlinge auf. Schließlich wurde er der Anführer der
Aufständischen in Asturien.
Die Mauren
erkannten die Gefahr. Im Jahre 722 rückten sie mit einer Militärmacht an.
Allerdings ließen sie sich in unwegsames Gelände locken und wurden unter den
Felsen von Covadonga aufgerieben. „Varus, Varus, gib’ mir meine Legionen
wieder!“ Ob der damalige Maurenherrscher in Cordoba einen ähnlichen Ausruf über
die Lippen brachte wie 713 Jahre vorher schon Kaiser Augustus in Rom?
Wahrscheinlich nicht, denn die Ereignisse in Covadonga waren, militärisch
gesehen, nicht übermäßig alarmierend. Aber psychologisch war mit diesem Sieg
über die Mauren doch ein erster Bann gebrochen und die Reconquista geboren,
noch lange Zeit vor der Auffindung des Grabes von Jakobus in Compostela.
737 starb
Pelayo. Sein Sohn und Erbe wurde bereits zwei Jahre später auf der Jagd von
einem riesigen Bären zerfleischt. So fiel das asturische Fürstentum an den
Ehemann von Pelayos Tochter. Als Alfons I. wurde dieser zum eigentlichen Begründer
des asturischen Königshauses, das sich nicht nur als Erbe des Westgotenreichs,
sondern auch als Hort der Reconquista verstand. Die Mauren
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