Auf dem spanischen Jakobsweg
anzusehen, wie nicht nur die Menschen sterben, sondern auch das
Vieh, das keine Weiden findet, weil sie durch diese Insekten kahlgefressen
werden.
Das Dorf
Hontanas liegt wieder in einem dieser Einschnitte der Natur, die für die
Landschaft der Meseta so kennzeichnend sind. Sobald wir an den Rand des
Abbruchs gekommen sind, sehen wir die Pfarrkirche aus dem 14. Jahrhundert, die
in ihrer ausladenden Mächtigkeit das ganze Dorfbild beherrscht. Ein
geschotterter Weg führt hinunter. Das Dorf hat bis heute sein mittelalterliches
Kleid noch nicht abgelegt. Die Häuser sind hier im unteren Bereich aus
Natursteinen gemauert. Auch dieses Dorf scheinen die Menschen verlassen zu
haben. Hiergegen spricht allerdings, dass ein paar Hunde träge in der Sonne
liegen. Sie heben nicht einmal ihren Kopf, wenn wir im Vorbeilaufen mit unseren
Stöcken auf den harten Straßenbelag tacken, das typische Geräusch für Pilger,
wenn diese durch eines dieser leeren und einsamen Dörfer wandern. Auf der
anderen Seite des Ortes führt uns der Weg nicht wieder ganz auf die Hochebene
hinauf, vielmehr müssen wir auf einem steinigen Weg im Hang entlang nach links
laufen. Hier gibt es wieder große Mengen von Brombeeren, unsere treuen
Begleiter von Anbeginn unserer Reise. Allein mit ihnen könnten wir unseren
Bedarf an Vitaminen decken. Die Hitze ist in diesem Südhang allerdings so
unbarmherzig, dass wir uns nur kurz an den Ruinen von San Miguel aufhalten und
dabei die vielen Eidechsen beobachten, die hier geräuschlos über die Mauerreste
huschen.
Bald danach
stoßen wir auf ein asphaltiertes Sträßchen ohne Verkehr, teilweise von hohen
Bäumen gesäumt, in deren Schatten wir uns vorwärts bewegen. Schon nach kurzer
Zeit tauchen vor uns mächtige Mauern und zwei hohe Gewölbebogen auf, durch die
unser Sträßchen hindurchführt. Wir stehen nach wenigen Minuten vor dem
ehemaligen Klosterkonvent San Anton, heute leider nur noch eine immerhin
beeindruckende, auf den ersten Blick möchte man fast sagen: zur Straße hin gut
erhaltene Ruine. Das Kloster gehörte einst den Antonitermönchen, wir waren
ihrer steinernen Hinterlassenschaft schon vor Nájera begegnet, dort, wo Roland
mit den großen Steinen herumwarf.
Gegründet
wurde der Orden schon im Jahre 1059 in Frankreich und besaß in seiner Blütezeit
über 350 Hospize. Und dieses mächtige Kloster, eine knappe Fußstunde vor
Castrojeriz gelegen, betreute natürlich auch die vorbeiziehenden Pilger. Aber
sie waren auch echte Spezialisten, die Antonitermönche. Behandelten sie doch
allerorten das nach ihnen benannte „Antoniusfeuer.“ Das war nicht etwa eine ins
Pathologische gesteigerte Verehrungssucht für den Heiligen Antonius, da hätten
sie es wohl gar nicht heilen wollen, das war vielmehr eine im Mittelalter nicht
seltene Erkrankung, die die Mediziner „Ergotismus“, Mutterkornvergiftung,
nennen und die man sich in aller Regel durch den Genuss von Brot holte. Der berühmte
„Isenheimer-Altar“ von Matthias Grünewald im Unterlinden-Museum in Colmar zeigt
auf der Tafel „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ in der für die damalige
Zeit so drastischen Ausdrucksform die schlimmen Vergiftungserscheinungen dieser
Krankheit. Da wussten die Antonitermönche für Abhilfe zu sorgen. Den Erkrankten
wurde, begleitet von Flötenmusik und Kirchengesang, ein wundertätiges Überkleid
umgelegt und dazu gab es Brot und Wein. Bald schon war das Feuer erloschen,
meistens jedenfalls.
Die noch beachtlichen
Restmauern von San Antón kann man leider nicht von innen besichtigen. Der ganze
Gebäudekomplex ist umzäunt beziehungsweise abgeschlossen, Schilder warnen vor
scharfen Hunden. In einer der Mauern sieht man immerhin noch die Öffnung, durch
die jenen Pilgern, die abends zu spät ankamen, doch noch Verpflegung gereicht
wurde. Hinein ins Kloster durften sie dann jedoch nicht mehr. Schon kurze Zeit
nach San Antón taucht, auf einem hohen und verkarsteten Bergkegel gelegen, die
Ruine der ehemaligen Burg „Castrum Sigerici“ auf. Bizarre Turmreste ragen in
den wolkenlosen Himmel. Wir wissen, dass am Fuße dieser Burg der Ort
Castrojeriz liegt, und wir in einer knappen Stunde unter der Dusche der
dortigen Pilgerherberge stehen werden.
Ein deutscher
König besingt eine Marienstatue
Am östlichen
Eingang des Städtchens Castrojeriz, etwas nach rechts versetzt, steht eine
schöne Kirche: die Virgen del Manzano, ein spanisches Nationalheiligtum. Aber
zunächst wenden wir uns dem
Weitere Kostenlose Bücher