Auf dem spanischen Jakobsweg
gestiftet haben soll. Angeblich das gleiche, das dort noch heute
das Kopfreliquiar des jüngeren Jakobus in der Reliquienkammer der Kathedrale
ziert. In anderen Versionen hat die ganze Geschichte allerdings einen weniger
ritterlichen Anstrich. Danach soll es sich bei Quiñones um einen ganz
gewöhnlichen Strauchdieb gehandelt haben, der mit seinen Spießgesellen einen
Reitertrupp anfiel, um „Brückenzoll“ zu erpressen, weil er selbst Lösegeld
wegen einer über ihn verhängten Gefängnisstrafe brauchte.
Wir kommen,
ohne dass jemand auch unsere Pilgerstöcke zerbricht, heil über diese
interessante Brücke hinüber. Aber der gewaltige Durst treibt uns zunächst in
eine Bar, am Rande eines Campingplatzes, ganz nahe der Brücke. Wir sind die
einzigen Gäste, sitzen an einem Tischchen im Freien, ziehen unsere schweren
Wanderschuhe aus und lassen kühles Bier in unsere ausgetrockneten Körper
rieseln. Wie wir da so friedlich sitzen, kommt doch tatsächlich der „Mürrische“
angestapft, jener also, der in León mit seinen Donnerschlägen so bravourös
dafür gesorgt hatte, dass ein sanfter, freundlicher Mensch die Pforten des
Klosters für uns Pilger öffnete.
Weil hier
draußen der Wirt nicht zu sehen ist, geht unser Pilgerkamerad in die Bar hinein.
Längere Zeit hört man nichts. Dann aber scheppert es gewaltig, offensichtlich
schlägt da jemand mit dem Pilgerstock und in kurzen Taktfolgen heftig auf den
hölzernen Tresen. Wir denken schon, dass jetzt gleich auch noch Gläser klirren,
vielleicht sogar Fensterscheiben zu Bruch gehen werden, der dickliche Wirt
hinterherfliegt und gar auf unserem Tischchen zur Landung ansetzen könnte.
Unwillkürlich ziehen wir schon mal unser Genick ein und halten unsere
Biergläser fest. Aber nichts von alledem geschieht, vielmehr verlässt unser
Pilgerbruder knurrend und ohne Bier die Bar, murmelt uns etwas zu und geht
seines Weges. Wenn dem der elende Wirt in Boadilla in die Hände gefallen wäre!
Später, in
der Pilgerherberge im historischen Pfarrhaus, von der Freiburger Christopherus-Gesellschaft
liebevoll restauriert, stehe ich in der Kochecke des romantischen Innenhofes
neben dem Mann mit den kräftigen Fäusten und dem heftigen Pilgerstock. Hier
erlebe ich ihn als einen äußerst liebenswürdigen und friedlichen Menschen, der
mir von Brasilien und seiner Familie erzählt und mit mir seinen Eintopf teilen
will. Ich lobe ihn für seine musikalische Einlage an der Klosterpforte von León
und bedauere ihn, dass er heute in der Bar trotz seiner sogar mit Hilfe des
Pilgerstöckchens vorgetragenen Bitte kein Bier bekam, weil der miserable Wirt
einfach für einige Zeit seinen Posten verlassen hatte.
Ein Nachmittag in Asturica Augusta
Obwohl sich
in der kleinen Herberge in Hospital de Órbigo heute Nacht offensichtlich die
besten Schnarcher auf dem Jakobsweg versammelt hatten, habe ich gut geschlafen.
Wir stehen erst nach sieben Uhr auf, also ziemlich spät, und verlassen heute
als Letzte die Herberge. Unser Ziel an diesem Tag ist Astorga, nur 15 Kilometer
von hier entfernt, eine kleine Stadt, in der es aber allerhand zu sehen geben
soll. Die Wegstrecke dorthin ist sehr abwechslungsreich. Der Camino führt kreuz
und quer durch eine sich häufig verändernde, mal fruchtbare, mal
ausgetrocknete, mal bewaldete Landschaft. Bergauf und bergab ziehen wir dahin,
über schmale Asphaltsträßchen, öfter noch über gelbe Sandwege und auf weiten
Strecken auch auf steinigen Pfaden, durch Heckenrosen, Brombeerstauden, Steineichen
und verkrüppelte Föhren. Die Tischplatte der Meseta liegt hinter uns, die
Landschaft verändert sich, wird abwechslungsreicher, das Gebirge taucht am
nördlichen Horizont auf und rückt ganz allmählich näher.
Gegen
Mittag, wir haben wieder blauen Himmel, steigen wir auf einen mit Steinen
übersäten, langgezogenen Ödhang, an dessen rechter Abbruchkante allerdings
dichter Wald wächst, weil dort offensichtlich die Regenwolken hängenbleiben.
Von hier, noch vor Erreichen des Gipfelkreuzes Santo Toribio, sehen wir im Tal
vor uns schon die mächtigen Festungsmauern von Astorga.
Auch hier,
in ihrer Stadt Asturica Augusta, waren seinerzeit die Römer besonders aktiv,
bauten Straßen und Brücken und befestigten die Stadt. Aus dieser Zeit stammen
auch die auffallend hohen Mauern, die zum Teil noch heute stehen und das
Stadtbild von Astorga schon aus der Ferne prägen. So wurde Asturica Augusta,
eine Stadt, mit der man die Passstraße ins Gebirge
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