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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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der mit ihr verbundenen
Schwierigkeiten. Aus diesem Grund setzt die Inquisition die Wallfahrt zu den
heiligen Stätten der Christenheit nachhaltig gegen die »Häretiker« des 12. und des 13 . Jahrhunderts, die Katharer
und die Waldenser, ein, namentlich zum Jakobusgrab in Compostela, nach Sankt
Peter in Rom, zum Grab des heiligen Thomas von Canterbury und zum Schrein der
Heiligen Drei Könige in Köln. Ein Häretiker wird im Jahre 1241 dazu verurteilt,
nach Compostela, nach Rom, nach Le Puy, nach Saint-Gilles und nach Toulouse zu
wallfahrten. 1244 verurteilt P. Cella einen Mann zur Wallfahrt nach Compostela,
der angeklagt wurde, auf einem Schiff Waldenser gesehen und mit ihnen
gesprochen zu haben, obwohl bewiesen ist, daß er sich zurückzog, sobald er sie
ihre häretischen Lehren bekennen hörte. 48 Unter den 930
Verurteilungen, die der Inquisitor Bernard Gui innerhalb von fünfzehn Jahren
fällte, gab es 139 Freisprüche, 132 kanonische Bußen oder Auflagen zur
Teilnahme an Kreuzzügen, 152 Pflichtwallfahrten, 307 Verurteilungen zu
Gefängnis und 42 Übergaben an den weltlichen Arm. 49
    Es kommt schließlich auch vor, daß ein
Staatsvertrag der Wallfahrt zugrunde liegt. Im Juni 1305 behält sich König
Philipp nach dem Sieg über die Flamen das Recht vor, dreihundert Bürger von
Brügge auf Pilgerfahrt zu schicken, hundert per Schiff und zweihundert auf dem
Landweg. Sein dritter Sohn, Karl der Schöne, wird dieses Recht in Anspruch
nehmen und am 19. April 1326 bestimmen, daß hundert Männer aus Kortrijk nach
Compostela aufzubrechen haben.
    Ein anderer, 1316 in Paris
Unterzeichneter französisch-flämischer Friedensvertrag — ein mit fünfundzwanzig
Siegeln versehenes Pergament — sieht unter anderem vor, daß der Sohn des Grafen
von Flandern, Robert, mehrere Wallfahrten erfüllen müsse und hundert Einwohner
von Brügge und Cambrai nach Compostela, hundert andere nach
Saint-Gilles-du-Gard und wieder hundert nach Rocamadour zu pilgern hätten. Die
Vogtei von Paris stellt 1321 fest, daß alle diese
Wallfahrten wirklich ausgeführt wurden. 50
    So ist es also schwierig zu wissen, wer
einen auf dem Weg nach Santiago begleitet. Um so mehr, als sich unter die Menge
der Pilger noch andere Leute mischen: falsche Pilger, Straßenräuber, Schwarzhändler
mit gefälschten Dispensen, eingeschleuste Häretiker; die einen vergreifen sich
an den Geldbeuteln, die anderen an den Seelen. Der Gang nach Santiago ist ein
gefährliches Unternehmen. Wer seine Familie und seine Freunde verläßt, verläßt
sie vielleicht für immer. Es ist daher gut, sich vorzubereiten.

 
    zweites kapitel
     

AUFBRUCH
     
      Ausweise jeglicher Sorte — Manier verkauft
sein Grundstück — Sombreros
und Pelerinen — Der
Stab der Hoffnung — Macht
es euch leichter! — Der
Mann mit der Muschel — Reisesegen
- E ultreia!
     
     
    Z um Hochgefühl der ersten Pilger, die
alles verließen und der einzigen, mächtigen Notwendigkeit gehorchten, ohne zu
rechnen, in reinem Vertrauen auf die Gnade Gottes, gesellte sich recht bald das
Bedürfnis, einige Vorsichtsmaßregeln zu treffen: Die
geschäftlichen Angelegenheiten werden in Ordnung gebracht, es wird gebeichtet,
man sucht Geld für die Reise, für die Ausrüstung, läßt Pilgerstab und
Brotbeutel segnen.
    Priester und Bischöfe stellen den
Pilgern Bescheinigungen aus. Wie zum Beispiel den Ausweis für Michel Marie aus
der Pfarrei Cherisy, kurz vor seinem Aufbruch nach Santiago im Jahre 1764:
»Ich, Pierre Moinet, Pfarrer von Cherisy in der Diözese Chartres, bestätige
allen und jedem, der dieses Schriftstück einsieht, daß mein Pfarrkind Michel
Marie mit keiner kirchlichen Strafe und keiner Irrlehre oder Häresie behaftet
ist; daß er die katholische, apostolische und römische Religion aufrichtig
bekennt und aufgrund seines guten Rufes und der Ehrenhaftigkeit seines Namens
allen empfohlen werden kann.« Die Unterschrift des Pfarrers wird rechtskräftig
durch die des Verantwortlichen der Zivil- und Kriminalbehörde,
Pierre-Claude-Mathurin Leprince, der noch sein rotes Wachssiegel unter den Text
setzt. 1
    Die Empfehlung ist nicht unnütz, wenn
der Pilger Schwierigkeiten hat, eine Unterkunft zu finden. Sie hilft aber wenig
gegen die Gefahren der Straße. Es ist besser, man macht sich auf das Schlimmste
gefaßt.
    Im Jahre 1614 verfaßt Jehan Monguonoilhe,
Priester in Laguenne (Corrèze), ein Testament: »Gesund an Leib und Geist und
danach verlangend, ins spanische Königreich und an andere Orte

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