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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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mit zweitausend Goldstücken.
Doch sind solche Herren selten, außerdem verteilen manche von ihnen ihren
Reichtum unterwegs zum Wohl der Armen, die ihnen folgen, sichtbare Zeichen
wahrer Bruderliebe.
    Ganz anders der gewöhnliche Pilger. Er
läuft sich in den Wagenspuren die Füße wund und hungert auch zuweilen; in
seinem herkömmlichen Pilgergewand, an dem er die Abzeichen trägt, die ihn
kenntlich machen und zugleich beschützen, verliert er sich bewußt im
Namenlosen.
    Er trägt die Bekleidung des armen
Fußwanderers: ein langes, an der Hüfte gegürtetes Gewand und einen zwecks
besseren Gehens vorn aufgeschlitzten Überhang (surcot). Männer und Frauen sind
ungefähr gleich gekleidet, die Kopfbedeckung ausgenommen: Die Frauen tragen
einen Schleier, die Männer einen Hut; sein Rand ist über den Kragen
heruntergeschlagen.
    Im 15. Jahrhundert wird das Gewand der
Männer kürzer, der Mantelkragen verbreitert sich und bedeckt jetzt die
Schultern — der Pilgermantel formt sich heraus; er wird allmählich noch breiter
und bildet einen Umhang, der gegen Wind und Regen schützen soll. Aus diesem
Gewand wird unsere Pelerine.
    Zu gleicher Zeit ändert sich die
Hutform; zahllose Pilgerdarstellungen haben uns mit dem sombrero bello vertraut gemacht. Er ähnelt einem großen, vorn über der Stirn hochgerückten
Rad, mit gebietsbedingten Unterschieden. So groß ist die Bedeutung dieser
Kopfbedeckung, daß die Hutmacher, wenigstens jene von Saint-Maixent und
Avignon, den heiligen Jakobus zu ihrem Standespatron wählen. 19
    An den Füßen trägt der Wallfahrer
kräftige Schnürstiefel oder Sandalen. Einige Pilger haben die Auflage, barfuß
zu gehen, jedoch ist das wohl eine Ausnahme. Wir wissen, daß der heilige
Wilhelm von Vercelli mit fünfzehn Jahren freiwillig barfuß bis nach Compostela
pilgert, aber gerade deswegen ist er ja bekannt, und Leistungen solcher Art
begründeten seine Heiligsprechung.
    Nur ein Gelübde der Abtötung, eine
Verurteilung zur Buße oder Armut können dazu bewegen, barfuß über Steine, durch
Dornengestrüpp und Schnee zu gehen. Als der kleine Bonnecaze seinen
Jugendstreich vorbereitet, kommt ihm nicht in den Sinn, daß seine Schuhe schon
in Pamplona das Zeitliche segnen werden. »Von da an«, so erzählt er, »ging ich
mindestens hundertachtzig Meilen mit bloßen Füßen .« 20
    Wir werden sehen, wie sich der Pilger
ganz besonders seiner Füße annimmt, dieser schmerzenden Werkzeuge seiner
Erlösung, die deswegen höchste Aufmerksamkeit verdienen; hier der Ratschlag im
»Galicienlied«:
     
    Quien quiera ser peregrino
    Peregrino de Santiago
    Necesita los zapatos
    Bellos de los peregrinos
    Que Santiago tenia
    Cuando a Galicia iba. 21
     
    Wer Pilger sein will,
    Santiagopilger,
    Muß schöne
    Pilgerschuhe haben,
    Wie sie der heilige Jakobus trug,
    Als er nach Galicien ging.
     
    Die wahren Kennzeichen des
Compostelapilgers waren jedoch Pilgertasche und Wanderstab.
    Die Pilgertasche (besace), in den
Manuskripten pera genannt — so bereits zu Anfang des 12. Jahrhunderts im
Sakramentar von Laon 22 — , wird um den Hals gehängt getragen und
enthält den Proviant, die Pässe und die anderen Ausweise des Wanderers.
Ursprünglich war es eine Art lederner Brotbeutel. Wie Aymeri Picaud angibt,
findet man auf dem Domplatz von Santiago solche aus Hirschleder, zusammen »mit
Weinschläuchen, Schuhen, Geldbeuteln und Riemen«. 23
    Im 18. Jahrhundert verwandelt sich
diese Tasche in eine kleine Schachtel oder Büchse, ein Holz- oder
Metallkästchen, das an einem Schulterband getragen wird:
     
    Des choses nécessaires
    Il faut être garni
    A l’exemple des Pères
    N’être pas défourni
    De bourdon, de mallette
    Aussi d’un grand chapea
    Et contre la tempête
    Avoir un grand manteau . 24
     
    Mit nötigen Dingen
    Soll man nach Art der Väter
    Ausgerüstet sein:
    Pilgerstab und Reisetasche
    Dürfen nicht fehlen,
    Dazu ein großer Hut
    Und gegen Unwetter
    Ein weiter Mantel.
     
    Beim Pilgerstab (bourdon) handelt es
sich um eine starke Holzstange von fast zwei Meter Länge mit einer Eisenspitze
am Ende. Auch darüber wurden Reime geschmiedet (im Lied von den
Pilgerpflichten):
     
    Le bâton d’espérance
    Ferré de charité
    Revêtu de constance
    D’amour et chasteté. 24
     
    Der Stab der Hoffnung,
    Beschlagen mit Nächstenliebe,
    Bekleidet mit Beständigkeit,
    Mit Liebe und Keuschheit.
     
    Dieses »geistliche Schwert« hilft auch
auf dem Marsch und dient »zur Verteidigung gegen Wolf und Hund«, 25 das ist

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