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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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hätten ihn die Pilger nicht in Verse gebracht, im »Großen
Wallfahrtslied« zum Beispiel:
     
    Quand nous fûmes dans la Galice
    A Rive dieu
    On voulait nous mettre aux galères
    Jeunes et vieux
    Mais nous nous sommes défendus
    De notre langue
    Avions dit qu’étions Espagnols
    Et nous sommes de France.
     
    Als wir in Galicien waren
    In Ribadeo,
    Wollte man uns, Junge und Alte,
    Auf die Galeeren schicken.
    Aber wir haben
    Unsere Sprache verleugnet;
    Wir sagten, wir seien Spanier,
    Und sind doch aus Frankreich.
     
    Und im Lied der Pilger von Aurillac:
     
    Quand fuguerem an Ribadiara
    Bei servens vol jitar n’carcere
    Vielhs et joins; abem dich »Li Vernhat
    Sem pèr Guiral e pèr l’Abat!« 58
     
    Als wir in Ribadeo waren,
    Wollten Polizisten uns ins Gefängnis
werfen,
    Alte und Junge. Wir sagten: »Die
Auvergnaten
    Sind für Gerald und für den Abt !«
     
    Vielleicht ist das eine Anspielung auf
irgendeinen Streit. »Für Gerald und für den Abt !« ist
der Schlacht- und Sammelruf der Auvergnaten.
    Am 21. Dezember 1384 muß sich der
Infant Johann von Aragonien für deutsche Ritter einsetzen; sie sind auf dem Weg
nach Santiago festgenommen worden, denn man hielt sie für Spione. 59
    Wer sich entschließt, zu Schiff zu
reisen, um der Unsicherheit des Landweges auszuweichen, setzt sich noch ganz
anderen Gefahren aus. Im Jahre 1119 ist der Bischof von Compostela, der sich
zum Konzil von Reims begeben möchte und dazu den Seeweg wählen will, genötigt,
darauf zu verzichten, weil eine feindliche Flotte von fünfzig Schiffen vor den
Küsten Stellung bezogen hat. Die Einfälle der almoravidischen Piraten hören erst
in der Mitte des 12. Jahrhunderts gänzlich auf. 60 Als Bona von Pisa
aus Jerusalem zurückkehrt, wird sie auf dem Meer gefangengenommen, verwundet
und nach Afrika verschleppt, wo pisanische Handelsleute sie loskaufen; sie
weiht, wie wir schon wissen, ihr Leben daraufhin der Begleitung der
Compostelapilger.
    Am 18. November 1456 bescheinigt Jean
Bartalote, der Besitzer eines englischen Schiffes, daß die durch den Herzog von
Bretagne angeordnete Rückerstattung seines Schiffes tatsächlich stattgefunden
hat; bretonische Piraten hatten nämlich das mit Santiagopilgern besetzte Schiff
gekapert und geplündert. 61
    Franz Wessel, der künftige
Bürgermeister von Stralsund, geht 1508 mit hundertfünfzig Pilgern, »Frauen und
Mädchen nicht gerechnet«, an Bord. In Plymouth erstechen zwei Pilger einen
dritten; sie werden gehängt. Das Schiff verläßt trotz behördlichen Verbots den
Hafen und muß gegen zwei ihm nachgeschickte englische Kriegsschiffe eine
regelrechte Schlacht liefern. Franz Wessel erreicht Compostela, nachdem er »in
fast fünfzig Häfen Norwegens, Schottlands, Flanderns, Englands und Frankreichs«
Anker geworfen hat. Als er endlich wieder nach Stralsund heimkommt, erwarten
ihn seine Eltern schon nicht mehr: »Sie waren überzeugt, daß er auf See oder
sonstwo umgekommen sei .« 62
    Jacques Lemesre ist jener Juwelierssohn
aus Lille, der gelobt hat, nach Compostela zu pilgern, um die Heilung seiner
Mutter zu erlangen. Er ist achtzehn Jahre alt, als er sich 1685 einschifft. Das
Schiff, auf dem er reist, wird von Piraten gestoppt und überfallen, Jacques
selbst als Sklave an einen Händler aus Konstantinopel verkauft. Er bleibt dort
drei Jahre, trotz der Nachforschungen der Lazaristen und der Kaufleute aus
Lille. Sein Herr bietet ihm die Freiheit an, falls er seinem Glauben abschwöre;
Jacques lehnt ab. Eines Tages endlich fragt ihn auf einem Uferkai in
Konstantinopel ein Franzose, ob er nicht einen gewissen Jacques Lemesre aus
Lille kenne. Große Überraschung! Man umarmt sich. Jacques wird im Laderaum
eines französischen Schiffes versteckt, das bald darauf ausläuft. 63
     
    Die Länge des Weges, die vielfältigen
Gelegenheiten zu Streitereien, das recht unterschiedliche Marschtempo der
einzelnen, alles das sind Gründe — und sie mangeln nicht — , um Gruppen zu
sprengen, Freunde zu entzweien.
    In Maniers Gruppe beginnt der Zwist —
das war zu erwarten — um so eher, als diese Pilger sicher nicht von der Suche
nach ihrem Seelenheil besessen sind. Es fängt an in Blaye: »Delorme und ich
hatten Streit mit Hermand; wir beschlossen also, [ihn] zu verlassen; darum
überquerten wir die Garonne auf zwei Fähren .« Beim
Betreten spanischen Bodens sind sie wieder zusammen; nach wie vor aber gibt es
Reibereien. »Delorme und ich hatten den Beschluß gefaßt, uns von den anderen
abzusetzen, weil

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