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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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Schloß des Mauren, des
sarazenischen Mauren.
    Wie stellt er es nur an, hier
hereinzukommen?
     
    Kleidet Euch als armer Pilger,
    Erbettelt Almosen am Wege.
     
    Gebt Ihr dem armen Pilger keine Gabe?
    Escrivette hat ihm vom Fenster aus ein
Geldstück zugeworfen.
     
    Als sie das Almosen gibt, erkennt sie
ihren Gatten.
    Dienerin, bereite den Tisch, Brot und
Wein.
     
    Escrivette ist mit dem Pilger geflohen
    Und hat aus dem Maurenschloß das
kostbarste Gold mitgenommen.
     
    So macht also das Gewand den Mann zum
Pilger. Diese bekannte und überaus ehrwürdige Uniform ist ein richtiger
Reisepaß, der alle Grenzen, auch die verschlossensten, öffnet. Es ist noch
nicht so lange her, da zeigten die Bilderbogen aus Épinal in der Geschichte von
der Ziege, dem Wolf und den Geißlein den Wolf in der Verkleidung eines
Santiagopilgers; der Abscheuliche klopfte also an die Tür der Hütte und erbat
»Gastfreundschaft um der Liebe Gottes willen« — glücklicherweise erkannte die
Ziegenmutter den Bösewicht und ließ ihn durch den Kamin herein. 3 Gegen Ende des 14. Jahrhunderts empfiehlt König Ferdinand von Aragonien in
seinem Kampf gegen den unglücklichen Grafen von Urgel dem Grafen von Pallars,
die Häfen und die Straßen überwachen zu lassen, damit jener sich nicht »unter
einem Pilgergewand« 4 davonmache. Im Jahre 1531 prügelt der Henker
von Douai den gebürtigen Pariser Pierre de Laude mit Ruten vom Vorplatz der
Markthalle bis zum Kirchentor von Notre-Dame, weil er den Compostelapilger
nachäffte: »Er hatte sich das Gesicht mit Kräutern eingerieben und geschminkt,
um ein erbarmungswürdiges und krankes Aussehen zu bekommen und so die Gaben
guter Leute einzuheimsen und die Armen zu bestehlen.« 5
    Eine Verordnung Philipps II. vom 13.
Juni 1590 verbietet jedem, der nicht wirklich auf Wallfahrt geht, sich als
Pilger zu kleiden. Der Pilger selbst darf sich zum Almosensammeln nicht mehr
als vier Meilen vom Weg entfernen; und wenn er Ausländer ist, muß er beim
Betreten des Königreiches vom Gerichtsbeamten einen Geleitbrief erbitten; bei
Zuwiderhandeln gilt er als Vagabund. 6
    Dieser Text ist nur ein Beispiel aus
der Liste der Vorschriften und Erlasse, die vor allem in Spanien versuchen, den
Sonderstatus des Pilgers zu erfassen.
    Es geht darum, ihn vom Scheinpilger zu
unterscheiden und ihm den Schutz der kirchenrechtlichen und königlichen Gesetze
angedeihen zu lassen, aber auch die Hilfe der Ritterorden und den Beistand der
klösterlichen Einrichtungen und der Bruderschaften sicherzustellen. Unter der
Schirmherrschaft der Kirche, der großen Abteien und der Fürsten entsteht
allmählich eine Art internationalen Rechtes; es regelt die große
Völkerwanderung nach Compostela, entzieht den Pilger dem unentwirrbaren
Geflecht vielfältiger, manchmal auch widersprüchlicher örtlicher Gepflogenheiten
und gewährt ihm zu seiner Sicherheit eine gewisse Anzahl von Vorrechten.
    Kanon 4 des Konzils von León (1114) zum
Beispiel verfügt: »Die Pilger können, wie auch die Kaufleute, in den spanischen
Königreichen frei herumreisen, ohne daß irgendjemand Hand an sie oder an ihr
Hab und Gut legen darf .« Ein Text der königlichen
Kanzlei gibt dazu noch an, daß sich dieser Schutz auch auf die Begleiter des
Pilgers erstreckt, seien sie nun Gefährten oder Diener. Die Santiagopilger
müssen »geehrt und geschützt« werden. Wer sich auf den Weg macht »in der
Absicht, Gott zu dienen und die Vergebung der Sünden und das Paradies zu
erlangen«, sei genauso gut aufgenommen wie der, welcher »in der Absicht
[reist], irgend etwas zu erwerben .«
    Die Jubiläumsjahre bieten den Königen
Gelegenheit, die Schutzpflichten in Erinnerung zu rufen und genauer darzulegen.
König Johann II. von Navarra befürchtet im Jahre 1434, daß ein Strafgesetz, das
aus Anlaß von Streitigkeiten zwischen deutschen und spanischen Kaufleuten
erlassen worden war, die Wallfahrt hemme; darum bewilligt er vom 1. Januar bis
zum 31. Dezember »den Bewohnern der Königreiche Italien, Frankreich,
Deutschland, Ungarn, Dänemark, Schweden, Norwegen und jeder anderen Nation« ein
allgemeines freies Geleit, damit sie während des ganzen Jahres in voller
Sicherheit kommen, verweilen und heimkehren können »zu Land und zur See, bei
Tag und bei Nacht«. Die Schutzverpflichtung wird am 7. Juni in Segovia durch
einen Erlaß festgelegt; wer ihm nicht entspricht, setzt sich der Todesstrafe
durch Erhängen aus sowie dem Entzug der Ämter und der Beschlagnahme der Güter. 7
    Die

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