Auf dem Weg nach Santiago
er »verabreichte den Pilgern
unterwegs einen Kräutertrank, der sie einschläferte, so daß er sie bestehlen
konnte«.
Nach den Rechnungsbüchern von Navarra
sind die Wegelagerer häufiger Engländer als Einheimische — diese waren sicher
viel empfindlicher für die Androhung kirchlicher Strafen als die Straßenräuber,
die zwischen zwei Kriegen den spanischen Norden unsicher machten. Im 14.
Jahrhundert entledigt sich König Karl V. von Frankreich der »Grandes
Compagnies«; Du Guesclin stellt sie in den Dienst Heinrichs von Trastamara
gegen dessen Bruder und Rivalen Peter den Grausamen, der selbst durch den
Schwarzen Prinzen und seine englischen und walisischen Söldnertruppen
unterstützt wird. Fahnenflüchtige, Erwerbslose und zahlreiche Straßenräuber
überfallen die Pilgerherbergen, Gasthäuser und Rasthütten am camino ,
terrorisieren und plündern die Pilger.
In Pamplona finden sich Hinweise auf
Festnahme und Hinrichtung eines Engländers und »anderer schlechter Leute« durch
Erhängen (1219); im Jahre 1337 wird ein anderer Engländer, ein gewisser Thomas
aus London, verurteilt und gehängt, weil er einem aus Santiago zurückkehrenden
Pilger fünf Goldgulden und die Pilgerbescheinigung gestohlen hat.
Eine andere Form des Diebstahls sind
die Übergriffe der Händler und der Gastwirte. Während der schönen Jahreszeit
und besonders in den Jubiläumsjahren treibt die Ankunft der ersten Wallfahrer
die Preise hoch: Martir, ein armenischer Bischof, erklärt 1489, er habe wegen
der teuren Lebensmittel nicht länger als vier Tage in Compostela bleiben
können. Dabei hatte Erzbischof Gelmírez 1113 die Verkaufspreise für
Nahrungsmittel und Pferde wie auch die Regelung der Maße und Gewichte für alle
jene Ortschaften festgelegt, in denen Verstöße vorgekommen waren. Alfons IX.
erinnert 1226 daran, daß der Wein und das Brot, die man den Pilgern vorsetzt,
von derselben Güte sein müssen wie jene, mit denen man sie angelockt hat, und
dies »unter Strafe von zehn Maravedís«. In der gleichen Verordnung beschäftigt
er sich auch mit den Maultierverleihern, die die Gewohnheit haben, die Pilger
hinsichtlich zurückgelegter Entfernungen zu täuschen oder sie durch Zwang und
List zum Absteigen zu veranlassen, noch bevor sie den vereinbarten Ort erreicht
haben; in allen solchen Fällen wird dem Maultiertreiber das Reittier
beschlagnahmt; handelt es sich um einen Angestellten des Verleihers, muß er
eine Strafe von fünf Maravedís zahlen, oder er wird, wenn er nicht zahlen kann,
öffentlich ausgepeitscht.
Ein deutscher Pilger übernachtet bei
einem gewissen Gil Buhón und vertraut der Wirtin eine Geldtasche ohne
Sicherheitsverschluß an. Als er fünf Tage später aufbricht, bemerkt er, daß ihm
Geld fehlt. Er erhebt Klage beim Alkalden. Dieser läßt ihn »im Namen seiner
Wallfahrt« schwören, daß er bestohlen wurde und um wieviel. Der Deutsche
leistet den Eid, und Gil Buhón wird zur Rückerstattung der entwendeten Summe
verurteilt. Die Vorschriften von Oviedo aus dem Jahre 1274 bestätigen die
Haftpflicht der Herbergswirte in solchen Fällen, wenn sie nicht die
Vorsichtsmaßnahme ergreifen, »an ihren Türen starke Ketten zu haben und sie dem
Gericht vorzeigen zu können«. 15
Die Richter und Alkalden scheinen in
Streitfällen mit der Ortsbevölkerung oft geneigt zu sein, den Pilgern recht zu
geben, wie eine Strophe des Liedes der Pilger von Aurillac vielleicht vermuten
läßt:
Dabant el jutge, li dizem
Que per pregar Dieus noi venem
Non perfar dam ni damatge
Lo jutge ditz: »Patz, bon viatge!« 16
Vor dem Richter sagten wir,
Wir kämen, um zu Gott zu beten,
Und nicht, um Böses oder Schaden zu
tun.
Der Richter sagte: »Friede, gute Reise !«
Im Jahre 1569 erläßt die Stadt Santiago
neue Verordnungen, um die Ausbeutung der Pilger durch die Herbergswirte zu
unterbinden. Auch hier ist wieder die Rede von Maßen und Gewichten, von
Preisgrenzen für Brot, Wein und Fleisch und sogar im einzelnen von der
Einrichtung der zu vermietenden Zimmer. Da müssen die den hochgestellten Gästen
reservierten Kammern »mindestens zwei Matratzen, Betttücher aus feinem Leinen
und Kopfkissen« besitzen; die einfachen Pilger haben ein Recht auf »mindestens
eine Matratze und ein Kopfpolster, zwei Bettücher und zwei Decken, alles
peinlich sauber«. Der Mietpreis für die besseren Zimmer darf zehn Maravedís,
der für die einfachen Zimmer vier Maravedís nicht übersteigen, unter Strafe von
dreihundert
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