Auf dem Weg nach Santiago
Apostolischen Nuntius in Madrid einen
Erlaubnisschein zum Almosensammeln; in dem Dokument wird jedoch einschränkend
festgestellt: »Ihr könnt kein Almosen sammeln ohne die Erlaubnis der
Ortspfarrer; ihr dürft nicht in den Kirchen herumstreichen, sondern müßt an der
Tür stehenbleiben. Wenn ihr alle diese Auflagen einhaltet, vor allem jene, die
das Almosen betreffen, empfehlen wir euch allen treuen Dienern Christi .«
»Mit diesem Schreiben gingen wir zum
Generalvikar«, so fügt Manier hinzu, »dieser schrieb auf die Rückseite eine
Erlaubnis für acht Tage, um in der Stadt Almosen erbitten zu können [ pedirla limosna ], alles auf
spanisch und ganz knapp .«
Der Schneider aus der Pikardie weiß
sich zu helfen. Wo immer er hinkommt, sorgt er sich zunächst darum, wo und wann
Almosen ausgeteilt werden; er versteht es, im Namen des heiligen Jakobus zur Nächstenliebe zu bewegen, und nutzt jede
Begegnung aus, um profitable Anschriften ausfindig zu machen und sich empfehlen
zu lassen. »Wir haben Louis getroffen; das ist der Bruder vor Pierre Louvet,
unserem letzten Wirt. Louis führte uns ins Schloß zu einem gewissen Lefeuvre,
Baujoin genannt [...], der uns nach Meinung seiner Neffen recht gut aufnahm.
[...] Wir bekamen auf seine Empfehlung hin ein Bett in der Schenke, in der wir
untergekommen waren .« Bei der Ankunft in Saintes: »In
dieser Stadt war ein Chorsänger aus unserem Dorf. Er hieß Houpin und diente an
der Kathedrale Saint-Pierre. Wir besaßen sogar ein Empfehlungsschreiben an ihn.
[...] Er bereitete uns ein großartiges Essen, desgleichen am Abend, und ließ
uns in dem Haus mit dem Schild ›Fort Louis‹ ein Bett herrichten. [...] Am 16.
waren wir bei ihm zum Frühstück und zum Mittagessen eingeladen .« 42
Die Nächstenliebe kann noch ganz andere
Formen annehmen. Am 12. Mai 1361 ordnet der Infant von Navarra, Don Luis, an,
den drei Gefährten des Juan de Tartes und des Pierre de Montferrant, beide
Ritter aus der Gascogne auf dem Weg nach Santiago, zehn Goldgulden auszuzahlen. 43 In den Rechnungsbüchern des Kapitels der Kathedrale von Angouleme am Ende des
16. Jahrhunderts werden die Almosen aufgeführt, die einem nach Compostela
pilgernden Schweizer überreicht wurden. 44 Im Jahre 1623 sind es die
Stadträte von Monieux (Departement Vaucluse), die einem gewissen Gaspar Terras
die Ausgaben begleichen; dieser Caspar nennt sich Pilger und ist unterwegs zu
verschiedenen Heiligtümern, darunter Santiago, wo er für König Ludwig XIII.
beten will. 45
Manier und seine Gefährten begeben sich
in Mueira zu einem Edelmann, um Almosen zu erbitten; sie empfangen »ein jeder
eine Schale Wein, Fleischbrühe und Brot und dazu noch vier Silberreales für La
Couture, damit er sich Schuhe kaufen kann«. 46 Auch Bonnecaze und
Jean de Tournai bekommen Schuhe geschenkt. Manchmal besteht das Almosen auch
darin, für eine schwierige Tagesstrecke ein Pferd auszuleihen oder eine
Pilgergruppe eine Tagesreise weit zu führen.
Der schönste Ausdruck von Bruderliebe
gegenüber dem Pilger aber ist die Aufnahme in das eigene Haus oder, falls er
nur kurz Rast macht, die Zubereitung einer Brotzeit. Eines Tages ruhen sich Jean de Tournai, Sire Guillaume und ein sie
begleitender deutscher Pilger in einem spanischen Dorf aus, bevor sie sich
wieder auf den Weg machen. Eine Frau bemerkt sie; wortlos bereitet sie eine
kleine Mahlzeit aus Eierkuchen und Brot und bringt sie Jean de Tournai, der sie
dem Deutschen weiter reicht und der Frau dankt: »Meine Liebe, das genügt, wir
sind keine armen Leute .« Die Frau schaut ihn
verständnislos an. »Da blickte mich die Frau an, eilte ins Haus zurück, nahm aufs
neue Brot und Eierkuchen und gab sie mir ein zweites Mal; ich nahm das Almosen
und gab es meinem Gefährten. Als die genannte F rau
das bemerkte, lief sie wieder ins Haus und brachte mir ein drittes Mal das
gleiche. Da ich nun sah, wie sie unbedingt wollte, daß auch ich von ihrem Brot
esse, fing ich an zu lachen, nahm das erwähnte Fleisch [sic] und aß wie die
anderen .« 47
Manier bekommt in Tapia, wo er
»herumbettelt«, fünf Sardinen, zehn Eier und vier bis fünf Pfund Brot. In
Irissarry holt er einen alten Pilger ein, und alle beide finden »in einem
guten, abseits gelegenen Haus« Unterkunft. »Die Hausherrin konnte ein paar
Brocken Französisch, obwohl sie aus dem Baskischen war. Sie ließ uns einheizen,
bereitete eine gute Suppe, brachte uns Fleisch und einen vorzüglichen Most
dazu; alles umsonst .« 48
Solche
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