Auf dem Weg nach Santiago
oben kann man Compostela
erblicken.
Auf der Anhöhe hat Erzbischof Gelmirez
zu Beginn des 12. Jahrhunderts eine dem heiligen Kreuz geweihte Kirche erbauen
lassen. Herman Künig findet hier oben außerdem ein schönes Steinkreuz und einen
Steinhaufen. Der englische Anonymus erwähnt außerdem vier Steinsäulen und
hundert Tage Ablaß.
By a chapell shalt thou go
Upon a hull hit stondez on hee
Wher Sent Jamez ferst shalt thou see
A Mount Joie mony stonez there ate
And fourpilerez ofston ofgret astate
A hundred daiez ofpardon there may thou
have . 4
Du mußt zu einer Kapelle gehen,
Die sich auf einem Hügel erhebt,
Von wo du Santiago zum erstenmal
siehst.
Es gibt viele Steine am Montjoie
Und vier große Steinsäulen.
Dort kannst du hundert Tage Ablaß
gewinnen.
»Auf der Sainte-Montjoie«, so bestätigt
auch der Anonymus aus Florenz, »stehen vier Säulen aus Stein, und von dort aus
sieht man die Stadt Compostela, wo der Ablaß des heiligen Jakobus verliehen
wird .« 5
Die Sehnsucht belebt auch die müdesten
Wanderer. Ganze Gruppen rennen die Steigung beinahe hinan; wer zuerst oben
ankommt, wird nach einer alten Tradition zum Wallfahrtskönig ernannt; fortan
darf er sich »Roi« (König) oder »Leroy« nennen, er und seine Nachkommen,
ähnlich jenen anderen »Roy« oder »Leroy«, den Erben der »Könige« eines großen
mittelalterlichen Festtages.
Manier ist schon seit geraumer Zeit
vorausgelaufen: »Ich hatte eine ganze Wegstunde Vorsprung, ganz allein, um als
erster den Kirchturm zu sehen, was mir auch gelang. Drei steinerne Kirchtürme
stehen dort unten. Jener der von den Engländern erbauten Jesuitenkirche, die
nicht weit von der Jakobuskirche entfernt steht; diese Kirche ist eine von denen,
die Karl der Große hat errichten lassen; und dann die beiden Türme der
Jakobuskirche, im selben Stil erbaut. Als ich sie erblickte, warf ich meinen
Hut in die Luft, um meinen Kameraden hinter mir zu erkennen zu geben, daß ich
den Turm sehe. Als sie heraufkamen, begrüßten mich alle als König .«
Laffi und sein Freund Codici kommen
ihrerseits auf den Hügel. »Als wir plötzlich [die so ersehnte Stadt]
erblickten, warfen wir uns auf die Knie, und Tränen brachen uns aus den Augen;
wir fingen an, das Tedeum zu singen, konnten aber nach zwei oder drei Versen
wegen der Tränen kein Wort mehr herausbringen.«
Man drückt seine innere Bewegung aus,
wie man kann:
Quand nous fûmes à Montjoie
Mon cœur tressaillit de joie
De voir Saint-Jacques le Grand.
Du vin de ma calebasse
Alors j’en ai pris d’autant . 6
Als wir auf dem Montjoie waren,
Zitterte mein Herz vor Freude,
Das berühmte Santiago zu sehen.
Ich trank tüchtig von dem Wein
Aus meiner Kürbisflasche.
Manier folgt diesem Beispiel: »Meine
Kameraden haben mir als ihrem König einen Blumenstrauß gereicht .« Er führt sie, zweifellos in Ermangelung des erhofften
Rübenmuses, in die Schenke und zahlt ihnen einige Krüge Wein zum Dank für ihren
Strauß. 7
Vom Montjoie bis zu den Türmen von
Compostela ist es nicht weit, und im Gegensatz zu den anderen Tagesmärschen
gehen die Pilger diese letzte Strecke leichteren Schrittes:
Quand nous fûmes à un mille
Près de la fameuse ville
Monsieur Saint-Jacques le Grand
Je me sentais plus habil
A cheminer que devant.
Als wir noch eine Meile entfernt waren
Von der berühmten Stadt
Des heiligen Herrn Jakobus des Großen,
Fühlte ich mich viel fähiger Zum
Wandern als zuvor.
Die Eisenspitzen der Pilgerstäbe
klingen auf den Kieseln des Weges, die Lieder vermischen und vereinigen sich zu
einem großen Gesang. Zahlreiche Berittene machen zum Zeichen der Demut das
letzte Wegstück zu Fuß, und nicht wenige Fußwanderer ziehen vor der Ankunft im
Heiligtum Schuhe oder Stiefel aus.
Die da ans Ziel gelangen, haben sicher
einen Gedanken und ein Gebet für jene Gefährten, die mit ihnen aufgebrochen
waren und die nicht mehr da sind, die infolge von Erschöpfung, Fieber, Wölfen,
Kälte oder verseuchtem Wasser eines Tages tot liegen blieben, für jene auch,
die an Altersschwäche starben oder an Verzweiflung, und schließlich jene, deren
Mut eines Tages einfach zusammenbrach und die sich dann der Verlockung des
Todes überließen...
Quand nous fûmes à la Ravelle
Mon compagnon fut mis en terre
Dont j’ai le cœur dolent
J’ai cherché dans sa pochette
Je n’y ai trouvé qu ‘un blanc
C’est pour écrire une lettre
Pour écrire à ses
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