Auf dem Weg nach Santiago
ohne Paß Seiner Majestät
außerhalb des Königreiches eine Wallfahrt unternehmen«, 18 dieses
verbietet.
Dem König sind nämlich Klagen von
Untertanen zu Ohren gekommen, deren Kinder unter dem Vorwand einer Pilgerfahrt
nach Santiago das Haus verlassen und »auf Abwege geraten und sich oft
schlechter Gesellschaft anschließen, um diese Wallfahrt zu machen«. Ganz davon
zu schweigen, daß einige, die sich so auf den Weg machen, nicht mehr die Mittel
haben heimzukehren und also in Spanien bleiben, was eine »Verringerung der Zahl
der Untertanen« zur Folge hat, zweifellos zum Schaden einer Erfassung für den
Militärdienst.
Diesen jungen Leuten werden Pässe also
nur mit Zustimmung der Eltern ausgestellt. Wer auf Verlangen der Vögte hin
keinen solchen Ausweis vorlegen kann, gilt als Vagabund und Landstreicher.
Sechs Jahre später, am 27. August 1671,
erklärt ein neuer Erlaß genauer die Absichten und Strafmaßnahmen: »Wir waren
der Ansicht, es liege im öffentlichen Interesse, [...] die Verderbnis einer so
heiligen Angelegenheit zu unterbinden, ohne jedoch den guten Absichten jener,
die aus lauterer, frommer Gesinnung und Bußgeist Wallfahrten unternehmen
möchten, ein Hindernis in den Weg zu stellen. Wir billigen die rechtmäßige
Praxis ebensosehr, wie Wir den Mißbrauch abzustellen gewillt sind .«
Tatsächlich stellen die Begründungen
fest, daß »sogenannte Pilger ihren Eltern und ihren Familien gegen deren Willen
davonlaufen, ihre Frauen und Kinder mittellos zurücklassen, ihre Meister
bestehlen, ihre Lehre aufgeben [...], im Verlauf ihrer Wallfahrt nichts als
Liederlichkeit treiben«; andere lassen sich im Ausland nieder, »wo sie andere
Weiber finden, die sie dann ehelichen, zum Schaden ihrer rechtmäßigen Frauen,
die sie in Frankreich zurückgelassen haben«.
Die Vorschriften werden 1665 strenger:
Fortan muß sich der Pilgerkandidat zuerst bei seinem Bischof vorstellen; dieser
prüft die Gründe für die Wallfahrt und händigt ihm einen Erlaubnisschein aus;
anschließend muß er sich bei den Zivilbehörden seines Wohnsitzes mit einer
amtlichen Bescheinigung versehen, auf welche hin ihm der königliche Beamte oder
einer seiner Vertreter einen Passierschein ausstellt, den er in den Städten,
durch die er kommt, beglaubigen lassen muß. Nur unter diesen Bedingungen kann
der Pilger reisen und in den Hospitälern aufgenommen werden »entsprechend den
in der Gründungsurkunde festgelegten Bedingungen«.
Zugleich mit dem Erlaß dieser
Polizeimaßnahmen teilt der König dem Orden Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel
und den Lazaristen eine bestimmte Anzahl dieser Hospitäler zu; die Verwalter
protestieren vergeblich; es werden Bestandsaufnahmen durchgeführt; vorgesehen
ist nur, daß der Orden die Pflicht hat, die Gastfreundschaft eventuellen
Pilgern gegenüber aufrechtzuerhalten.
Die einmalige Übertretung dieser
Vorschriften für Pilger wird mit Pranger bestraft, der Rückfall mit
Auspeitschen. Beim drittenmal wird der schuldige Pilger ebenso wie der falsche
durch das Ortsgericht bestraft; »die Strafe ist für einen Mann mindestens die
Galeere«. Die Dauer der Strafe hängt ab von der Schwere des Falles und dem Rang
der schuldigen Person.
Die Mißbräuche hören deswegen
keineswegs auf. »Die einen umgehen die Städte, von denen sie wissen, daß man
dort Ausweise sorgfältig kontrolliert; die anderen bedienen sich falscher
Papiere« in der Hoffnung, nie eine andere Strafe als die für die erste
Übertretung einstecken zu müssen, den Pranger. Von 168 6 an muß die Genehmigung
von einem Staatssekretär unterschrieben sein. Wer nach Santiago in Galicien
pilgert »ohne Unsere ausdrückliche Erlaubnis«, wird mit lebenslänglicher
Galeerenhaft bestraft, und wenn es sich um eine Frau handelt, so wird sie »zu
einer peinlichen Strafe nach dem Ermessen Unserer Richter verurteilt«. 19
Die Wallfahrt wird also überwacht. Es
fehlt wenig, und sie würde verboten. Doch wie soll man sie unterbinden, wenn
die Santiagopilger aus anderen Ländern des Abendlandes weiterhin durch
Frankreich ziehen? Die Wallfahrt erlebt im 18. Jahrhundert sogar einen neuen
Aufschwung, obwohl Ludwig XV. neue Verordnungen erläßt und dabei die Regelung
seines Urgroßvaters in Erinnerung ruft. Sogar die Mode bemächtigt sich
kurzfristig der Wallfahrtssymbole: Der Pilger wird zum Galan; auf seinem
Gemälde Die Einschiffung nach Kythera bekleidet Watteau seine
Liebespilger mit einem muschelverzierten Umhang, einem Hut mit
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