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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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Santiago zurückgekehrt.
    Bei der Ankunft haben wir
    Großen Kummer erlebt.
    Hugenotten und Katholiken
    Töten einander,
    Die Häretiker haben landauf, landab
    Alles zerstört.
    Sie haben alle Mönche
    Aus ihren Klöstern verjagt,
    Sankt Austremonius,
    Die Kapuziner
    Und alle Töchter von Saint-Blaise
    Auf die Straße geworfen.
    Die Mutter Äbtissin kommt und tröstet
uns
    Mit einem Ave.
     
    Aus dieser Zeit stammt die
Veröffentlichung von Reiseführern und Wegbeschreibungen. Von neuem liest man in
den Pfarregistern vom Aufbruch nach Santiago oder von Todesfällen unter
Pilgern; die Notare zeichnen Testamente auf. Eine Stadt wie Vitray-en-Beauce
organisiert zwischen 1607 und 1623 eine Gruppenwallfahrt. 14 Das
Hospital Saint-James in Bordeaux, das ein Jahrhundert zuvor ganz verwaist
dastand, nimmt 1660 aufs neue jährlich drei- bis viertausend Pilger auf.
    Während jedoch das Apostelgrab wiederum
seinen alten Glanz am Ende des »Sternenweges« aufstrahlen läßt, lauert eine neue
Gefahr auf die Wallfahrt. Immer mehr falsche Pilger, sogenannte Muschelbrüder (coquillards), machen sich nämlich breit. Schon 1590 hat Philipp II. Maßnahmen gegen die
»Muschelbrüder« ergreifen müssen. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an häufen
sich die Erklärungen, Edikte und Verordnungen der französischen Könige, die die
Wege nach Santiago zu säubern suchen. Der König von Spanien verlangt für das
Betreten seines Landes eine bischöfliche Bescheinigung; die französischen
Könige fordern nicht nur religiöse Garantien, sondern machen für die Ausreise
auch ein Zivilattest zur Pflicht.
    Unter der Menge der pieds-poudreux, der »Staubfüße«, die ihr Leben auf den Straßen verbringen, gibt es auch
ehrenhafte Berufswanderer: Kaminfeger aus Savoyen, Maurer, die zwischen zwei
Bauplätzen unterwegs sind, Gaukler, Jahrmarktsnomaden, Bärenführer,
Scherenschleifer, nicht zu vergessen die Hausierer, ebenjene, die dann 1789
zwischen Kornernte und Weinlese die Neuigkeit von der Erstürmung der Bastille
bis in die hintersten Dörfer tragen und die Abschaffung der Privilegien
verkünden werden. Aber es ist nicht immer leicht, sie von den »Vagabunden« zu
unterscheiden, wie sie in einer Erklärung vom 27. August 1701 beschrieben
werden: »Vagabunden und Landstreicher sind jene, die weder Beruf noch Handwerk,
noch festen Wohnsitz, noch festes Einkommen haben und die nicht mit Hilfe
glaubwürdiger Personen ein ordentliches Leben und gute Sitten nachweisen
können.« 15 Als Vagabunden gelten also die Landstreicher, die
fahnenflüchtigen Soldaten, die Straßenmädchen und das Volk von Habenichtsen,
das immer auf der Suche nach einem glücklichen Zufall ist.
    Die »Muschelbrüder« werden so
zahlreich, daß man diesen schimpflichen Namen schließlich sogar den echten
Pilgern anhängt; sie werden auf diese Weise Gegenstand von Spott und Mißtrauen.
Der Mann in der Gascogne, der seit Jahrhunderten den Santiagopilger hat
vorbeiziehen sehen, nennt jetzt den Träger der Muschel lou couscoulha, und
zwar sowohl den echten wie den falschen Pilger. Der falsche ist fast mit
Sicherheit jener, der die meisten Muscheln an sich trägt. Man sagt sogar:
»Cargat de deutes coum u peleru de couscoulhes« 16 (Mit Schulden
beladen wie ein Pilger mit Muscheln).
    In dem Buch Del reggimento di donne (Vom Frauenregiment) rät Francesco de Barberino:
     
    Guardati da pellegri
    Colle barbe e co’catini
    Che limoisne chiedendo
    Colle donne van sedendo.
     
    Hüte dich vor Pilgern
    Mit Bart und Holznapf,
    Die um Almosen bitten
    Und dann bei den Frauen bleiben.
     
    In einer Schrift aus dem 16.
Jahrhundert, Le jargon, ou langage de l’argot réformé (Der Jargon oder
Sprache des verbesserten Argot), kann man lesen: »Es gibt [Pilger], die sich
fälschlich als solche ausgeben und es doch niemals waren und die auch seit mehr
als zehn Jahren kein geweihtes Brot mehr in ihrer Pfarrei empfangen haben, den
Heimweg zu ihrer Wohnung nicht mehr finden und nichts als Gaunereien treiben
wie der große Coërse.« 17 Es ist derselbe große Coërse, den Viktor
Hugo in Notre-Dame de Paris singen läßt:
     
    Et je n ‘ai moi
    Par le sang Dieu
    Ni foi ni lo
    Ni feu ni lieu
    Ni roi
    Ni dieu!
     
    Beim Blut des Herrn,
    Ich habe
    Weder Glauben noch Gesetz,
    Weder Haus noch Herd,
    Weder König
    Noch Gott!
     
    Ludwig XIV. schreitet zum erstenmal am
7. November 1665 ein. Er läßt »unter Trompetenschall in der Stadt Paris und Umgebung«
eine Verordnung bekanntmachen, die »allen, die

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