Auf dem Weg zu Jakob
alle freundlich gegrüßt. Können die Hórreos aus grauem Granit auch kühl und abstoßend wirken, entdecke ich in Lebroeiro auch kleinere Vorratsbehälter für Mais, die aus Weidenmaterial geflochten und mit Strohdach versehen wurden.
Weiter gen Westen überquert der Camino einen kleinen Bachlauf. Alles ist so romantisch. Man könnte hier ins Träumen verfallen und die Zeit vergessen. Höchstens die Hitze erinnert daran, dass es bald Mittag sein wird. War ich meist durch schattige Wälder hierher geradelt, so spüre ich die volle Kraft der Sonne, sobald der Camino mal ein Stück offenes Wiesenland durchquert.
Ich sollte umkehren, denn ich muss ja noch wieder bis Palas del Rei zurück. Wie ich aber später von der anderen Seite her feststelle, hätte sich die Weiterfahrt bis Melide auf dieser Strecke allemal gelohnt, denn auch Furelos mit seiner mittelalterlichen Brücke zählt wohl zu einem der schönsten Dörfer entlang diese Abschnitts.
Der Camino ist schwer befahrbar. Wieder ist es ein stetes Auf und Ab. Manche Steigungen oder Gefälle sind so stark, dass ich kurzfristig wieder schieben muss. Und selbst wenn sie nicht so stark sind, behindert manchmal die Oberfläche. Mal ist der Weg stark zerfurcht, an Steigungen haben sich Erosionsrinnen gebildet, dann liegen Gesteinsbrocken im Wege, über die ich das Rad heben muss. Radwandern, die Betonung liegt auf Wandern. Mit einem voll beladenem Rad hätte man durchaus ein Problem hier. Manchmal ist es eine ganz schöne Asterei, besonders jetzt in dieser Affenhitze.
Aber zum Glück verläuft der Camino hier meist durch bewaldetes oder gut bebuschtes Gebiet, sodass ausreichend Schatten vorhanden ist. Trotz der Hitze verbleibt das Gefühl einer gewissen Frische. An einigen Stellen ist der Boden sogar (noch) regelrecht feucht, ja sogar matschig. An einem Abschnitt scheint es sich dabei um ein Dauerproblem zu handeln, weswegen man große, flache Steine zu einem Pfad ausgelegt hat, um diesen Teil halbwegs trockenen Fußes hinter sich zu bringen. Das Rad muss ich tragen. Um die Kulisse perfekt zu machen, Quaken jede Menge Frösche im Sumpf.
Unterwegs, zum Glück nicht gerade an der romantischen sumpfigen Stelle, treffe ich auf jede Menge Pilger: Engländer, Schweizer, Iren und, und, und - und alle wollen wissen, ob ich schon auf dem Rückweg bin - das hält natürlich auf.
Gegen 14:00 Uhr bin ich wieder in Palas del Rei. Alle meine Getränkevorräte sind aufgebraucht. Ich setze mich draußen an einen der Tische der Bar, wo ich auch übernachtet habe und bestelle Mineralwasser und frisch gepressten Orangensaft. Der Wirt bringt mir dazu (kostenlos) ein Stück Tortilla. Während ich im Café sitze beobachte ich, wie hier schon wieder die ersten neuen Pilger eintreffen, die sich Palas del Rei als Tagesziel gesetzt haben.
Mit dem Auto bin ich blitzschnell in Melide . Von dem Zauber des Caminos bekommt man hier auf der Autostraße allerdings gar nichts mit. Man würde noch nicht einmal vermuten, dass so nahebei etwas so Schönes existiert. Da liegen Quasi drei Welten direkt nebeneinander in unmittelbarer Nähe: die moderne, zweckmäßige Welt, die romantische Pilgerwelt, und die herbe Bauernrealität.
Von alters her hatte Melide schon Bedeutung als Handelsknotenpunkt, da sich hier Wege aus allen vier Himmelsrichtungen trafen, und der Ort somit natürlich auch als wichtige Pilgerstation diente. Am Ortseingang in der Nähe der Kirche San Pedro (14. Jh.) steht das älteste steinerne Wegekreuz des Caminos. Das Ortszentrum ist durch viele geschmückte Adelshäuser geprägt, einige Häuser haben verglaste Balkone. Ansonsten aber handelt es sich um ein ganz normales, kleines, eigentlich eher hässliches Landstädtchen mit, wie in Galicien offensichtlich üblich, fotoscheuen Bewohnern.
Fotografieren wird hier offenbar mit „auf dem Foto schön aussehen“ gleichgesetzt. Man fotografiert wohl nur zu besonderen Anlässen, wenn jeder fein herausgeputzt ist, aber in schmutziger Arbeitskleidung, oder gar bei der Arbeit, möchten die meisten nicht abgelichtet werden. Schade, aber ich muss es wohl respektieren.
Ich verlasse Melide. Auch weiterhin ist die Straße ein einziges Auf und Ab. Hinter Boente bleibt die Fahrstraße weiter oben, während die Pilger zunächst unten im Tal des Río Boente bleiben. Aber spätestens bei Castañeda sind auch sie wieder auf Straßenhöhe. Übrigens, dies hier ist Castañeda, wohin die Pilger die ihnen mitgegebenen Kalksteine aus
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