Auf den ersten Blick
zwei Menschen verloren, nicht nur einen. Ich fühlte mich, als hätte ich eine Familie verloren, denn wir hätten eine Familie werden können und wären es fast geworden.
Ich hatte ein ganzes Leben verloren.
»Sie sieht atemberaubend gut aus, Gary«, und dann – was kein Gesülze auf einer Verlobungsparty, sondern schmerzlich ernst gemeint war: »Du bist ein echter Glücks pilz.«
Ich saß draußen bei den Mülltonnen und spielte mit meinem Handy herum.
Es ging mir gut, wirklich. Ich brauchte nur einen Augen blick für mich allein. Mit der ganzen Wahrheit konfrontiert zu werden, dass ich dort geblieben war, wo ich war, obwohl das, wo ich war, gar nicht so toll war, während andere ihr Leben in die Hand nahmen, war schwer genug. Dass sie dabei so erfolgreich waren, bescherte mir stille Qualen.
Und dann kam Sarah heraus und setzte sich neben mich.
»Schön, dass du gekommen bist, Jason.«
Pause. Wortloses Nicken von uns beiden. Ich starrte vor mich hin, während sie mit dem Eis in ihrem Glas klimperte, was irgendwie lauter war als alle Busse und Autos und Mopeds von London.
»Ich bin ein Idiot«, sagte ich, weil mir nichts Überzeugenderes einfallen wollte als die Wahrheit. »Ich brauchte nur einen Moment. Es war so warm da drinnen und …«
»Vergiss nicht«, sagte sie, »dass du das alles nicht haben wolltest. Also trauere nicht darum.«
»Ich bin nicht traurig. Ich feiere, ich bin nicht traurig.«
Eigentlich war ich doch traurig. Aber das machen die Selbstsüchtigen so. Wir beklagen, was wir haben, und wir beklagen den Verlust, wenn wir merken, dass wir nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen oder überhaupt nicht mehr dazugehören.
»Wir werden uns immer irgendwie lieben«, sagte sie. »Du warst Teil meines Lebens. Das könnte doch auch so bleiben.«
Ich setzte ein kleines Lächeln auf. Stimmte das? Ich meine, wirklich? Ihr Leben hatte sich geändert und würde sich bald noch einschneidender verändern.
»Du weißt, dass ich immer eines Tages Kinder wollte«, sagte sie. »Jetzt passiert es früher als erwartet, aber du könntest dich doch eigentlich für mich freuen.«
»Ich freue mich für dich«, sagte ich. »Ehrlich, Sarah.«
»Aber du wolltest nie welche.«
»Ich wusste nicht, was ich will. Ich finde es jetzt erst langsam raus. Und außerdem haben wir nie darüber gesprochen. Woher weißt du, was ich will?«
»Ich habe es gemerkt. Meinst du, eine Frau merkt nicht, ob ihr Freund eines Tages Kinder möchte? Hör mal … als wir fast hatten, was wir fast hatten …«
So haben wir es immer umschrieben. Die Wahrheit war zu schmerzhaft gewesen, um sie auszusprechen. Als wir fast hatten, was wir fast hatten war unsere Methode, es in Watte zu packen, eine Distanz zwischen den Schmerz und den Alltag zu bringen.
»… na ja, es war ziemlich offensichtlich, Jase. Ich konnte sehen, wie du empfindest. Da war so eine Kälte.«
»Du hast mich nie gefragt.«
»Du meinst, du hast es mir nie gesagt . Aber das musstest du auch nicht. Und dann hast du getan, was du getan hast, und alles war klar.«
Und dann hast du getan, was du getan hast. Die andere, schmerzlindernde Umschreibung. Haben alle Paare so was? Solche Methoden, mit dem Unerträglichen umzugehen?
»Als ich getan habe, was ich getan habe … hatte das nichts mit dem zu tun, was wir fast hatten. Ich wollte auch haben, was wir fast hatten. Ich brauchte nur etwas Zeit, um es zu merken.«
»Aber Jason … du hast trotzdem getan, was du getan hast.«
Sie sprach zärtlich mit mir, als wäre ich empfindlich, zerbrechlich, kostbar.
»Du hast getan, was du getan hast, obwohl wir fast hatten, was wir fast hatten. Du hast es getan, trotz allem, was wir bereits hatten. Du hast es getan. Und es hat mir das Herz gebrochen. Nicht für immer, aber eine Weile, denn so selbstverständlich es auch klingt: Ich habe dich geliebt.«
Zum ersten Mal sah ich sie an. Sie hatte Tränen in den Augen, und irgendetwas gab meinem Herzen einen Ruck, und ich hätte sie am liebsten in die Arme genommen. Aber wie hätte das ausgesehen? Der böse Exfreund baggert ein letztes Mal die schwangere Verlobte eines anderen an? Sie wusste es, weil sie immer alles wusste, und lächelte ein leises Lächeln.
»Es tut mir so leid, Sar«, sagte ich, und dann kamen auch mir die Tränen.
Als ich wieder reinging, fiel Dev sofort über mich her, sprang mich an wie ein Tiger.
»Ich habe einen tollen Namen für eine Band!«, sagte er. »Ist mir eben eingefallen. Wollen wir eine
Weitere Kostenlose Bücher