Auf den ersten Blick
treffen?«
»Du weißt genau, wen wir hier treffen wollen …«, sagte Dev.
Jedes Mal, wenn ich dieses Mädchen getroffen hatte, war es ungefähr sechs Uhr gewesen. Vielleicht arbeitete sie in Fitzrovia, dachte ich. Fitzrovia, benannt nach diesem Pub, der wiederum nach einem Mann namens Fitzroy benannt war. Ich habe einiges übrig für eine Gegend, die ihren Namen einem Pub verdankt. Natürlich gab es da in London noch andere. Angel. Manor House. Royal Oak. Swiss Cottage. Und nicht zuletzt Elephant & Castle, dessen Namen ich eigentlich erst nachvollziehen konnte, als mir bewusst wurde, wie viel Glück die Gegend gehabt hatte, dass der Pub nicht Titties & Beer hieß, wenn man bedenkt, welche Auswirkungen so etwas auf die Immobilienpreise haben kann.
Und Dev hatte recht mit Dylan Thomas. Als wir zum ersten Mal hier waren, erzählte uns ein zahnreicher Mann in Tweed, der für einen Tag aus Bristol zu Besuch war, dass der Laden in den Zwanzig ern, Dreißig ern und Vierzig ern ein Treffpunkt für Künstler, Intellektuelle und Bohemiens gewesen sei. Sie hätten sich in alle Ecken gedrückt, sagte er, Ideen ausgetauscht, im Suff gestritten, sich geprügelt und geliebt, bis der Pub für ein ganzes Viertel stand. George Orwell trank hier. Augustus John. Heute kamen Leute wie Dev und ich. Unwillkürlich dachte ich, wenn ein Pub enttäuscht aussehen könnte, würde er jetzt bestimmt ein kleines bisschen enttäuscht aussehen.
Aber was sagte das über das Mädchen? Arbeitete sie in der Medienbranche? Oder war sie Kellnerin? Designerin? Die Charlotte Street hatte sich verändert, auch in der Zeit, seit ich in London war. Früher gab es hier nur Modemacher und Fotografen. Dann Werbung. Eine Weile Fernsehen und manchmal auch Radio. Jetzt … Restaurants und Bars. Allein die Fitzroy Tavern schien das alles überlebt zu haben, wie ein alter Mann, der sich dem Fortschritt wi dersetzt und sich weigert, seinen Platz am Tresen aufzugeben, selbst wenn sie eine Karaokemaschine hereintragen.
Irgendwie wollte ich gern mit Dev über das Mädchen sprechen, hatte es aber als blöde Idee abgetan. Ein guter Vorwand, irgendwo auf ein Bier einzukehren. Ich tat so, als wäre es Devs Idee gewesen, der ich nachzugeben gewillt war. Ich gab mich cool, und wann immer er von ihr anfing, wechselte ich das Thema – erschrocken über mich selbst, weil ich tatsächlich über sie reden wollte.
»Vielleicht heißt sie Charlotte«, sagte er, und ich nestelte umgehend an meinen Schuhen herum. »Vielleicht heißt sie sogar Charlotte Street. ›Miss Charlotte Street‹. Vielleicht arbeitet sie in der Touristeninformation.«
»Touristen lieben die Charlotte Street«, sagte ich und wich seinem Blick aus.
Das stimmte wohl. Oder besser – eigentlich nicht die Touristen. Eher Geschäftsleute. Amerikanische Geschäfts leute. Da gehen gerade welche, ihre Armbanduhren fangen die Abendsonne ein, als sie mit großen Schritten die Stufen vor dem Charlotte Street Hotel herunterkommen, frisch rasiert in ihren smarten Anzügen, und ein silberner Mercedes fährt vor, um sie zum Abendessen ins – ich weiß nicht – Ivy zu bringen.
Sie gleiten vorüber, und Dev und ich blicken ihnen hinterher.
»Es wäre schön, Amerikaner zu sein«, sagte Dev.
»Die sind nicht alle so«, sagte ich. »Manche sind auch Hulk Hogan.«
Dev sah sich auf der Charlotte Street um, musterte die Londoner, die in die Bars drängten und lachend aus Restaurants kamen. Die Charlotte Street hat etwas Urlaubsartiges an sich. Etwas Glückliches. Es war offensichtlich, dass Dev nach dem Mädchen Ausschau hielt. Ich konnte nicht anders. Ich tat es auch.
Doch dann bremste ich mich. Ich kam mir komisch vor. Komisch, hier zu sein, komisch, weil ich fast zum Stalker wurde, aber auch komisch, weil … was wäre, wenn? Was wäre, wenn sie auftauchte? Vorbeispazierte? Mein Magen knotete sich leicht zusammen, wie damals an jenem Abend, als ich beim Thai am Piccadilly auf Sarah gewartet hatte, bei unserem zweiten richtigen Date.
Ich gab mir einen Tritt. Das hier ist kein Date. Ich bin ein Stalker.
Plötzlich riss Dev die Augen auf. Er starrte etwas an. Etwas oder jemanden direkt hinter mir.
»Die da!«, flüsterte er halb, mit völlig ungerührter Miene. »Ist sie das?«
Ich erstarrte.
»Weiß nicht«, sagte ich mit großen Augen.
»Blauer Mantel?«
Ich nickte.
»Schuhe?«
» Selbstverständlich Schuhe.«
Langsam drehte ich mich um.
»Nein«, sagte ich und sah mir die Gestalt an, die im blauen
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