Auf den ersten Blick
Arm. »Ist bestimmt schwierig.«
Ich verzog das Gesicht und sagte: »Nein, nein, ach was, nein …«, doch er machte keinerlei Anstalten weiterzugehen. »Ich meine, es ist nicht leicht, wenn so etwas aus heiterem Himmel passiert, aber du weißt ja, wie es gelaufen ist und … Was sollte das denn?«
Seine Hand war ruckartig zu meiner Jacke vorgeschnellt.
»Was hast du vor?«, sagte ich, merkte dann aber sofort, dass er mir etwas aus der Tasche gezogen hatte.
Er hielt es hoch.
Die Kamera.
»Wenn du mal zwei Sekunden aufhören könntest, von Sarah zu reden«, sagte er. »Komm mit! Die schließen in einer halben Stunde!«
Dev trabte los, riss die Tür auf und marschierte ins Snappy Snaps.
vier
Oder: › › London, Luck and Love ‹ ‹
Dev hatte sich für den SuperXpress- 24 -Stunden-Service entschieden, was beeindruckend klingt, bis einem einfällt, dass heutzutage nur noch ein Tagesausflug zum Mond als SuperXpress bezeichnet werden kann.
Wir sollten uns da treffen, hatte er gesagt, draußen vor dem Snappy Snaps, am nächsten Tag. Das schien mir eine sinnlose Verabredung angesichts der Tatsache, dass wir vermutlich gemeinsam hinfahren würden.
Und ich weiß, was Sie denken. Sie denken, wir hätten es nicht tun sollen. Es ist ein grobes Eindringen in die Privatsphäre eines anderen Menschen. Zwei erwachsene Männer entwickeln die Privatfotos einer Frau, die beide nicht kennen. Denn wer weiß, was drauf ist? Und wer? Und wer weiß, was derjenige darauf macht?
Und Sie haben recht damit.
Dev jedoch hatte mich beruhigt. Er sagte, sie würde es nie herausfinden. Und falls doch, dann nur, weil diese Fotos uns zu ihr geführt hatten. Mich zu ihr geführt hatten.
Ich bin mir nicht sicher, wieso Dev meinte, sie würden mich zu ihr führen. Er besitzt keine Kamera. Vielleicht glaubt er, die Leute machen Fotos von sich selbst und halten dabei ihre Telefonnummern auf Zetteln hoch.
»Was bist du denn für ein Heiliger?«, sagte er.
»Ich bin kein Heiliger«, sagte ich. »Es ist nur …«
»Was? Es interessiert dich nicht? Du würdest es lieber gar nicht wissen?«
»Es ist nur … der eine oder andere könnte es vielleicht unheimlich finden …«
Dev drückte auf seinen Schlüsselanhänger. Erheeebe dich aus deinem Graaab!
»Was hat das denn damit zu tun?«, sagte ich.
»Ich meine nur: Mach es einfach! Tut mir leid, ich dachte, es wäre aussagekräftiger. Wer wird es denn je erfahren? Du musst ja nicht in der Zeitung darüber schreiben. Wir können kurz mal einen Blick darauf werfen und sie dann wegstecken, wenn es sein muss. Außerdem ist es eine Wegwerfkamera, da sind die Bilder wahrscheinlich sowieso nichts geworden. Vermutlich gehört sie zu diesen schrägen Studenten, die Fotos von Tauben und verlorenen Handschuhen machen, die einsam auf einem Zaun liegen, und dann schreibt sie prätentiöse Bildunterschriften wie ›Ungeschminkte Wahrheit‹ oder ›Der Geist ist sein eigener Kompass‹.«
Ich nickte. Dev hatte recht. Es gab immer auch die Möglichkeit, dass sie eine dumme Kuh war.
Aber ich wusste, dass sie es nicht war. Ich wollte ihr gerecht werden. Es klingt seltsam, irgendwie sonderbar, aber ich hatte das Gefühl, ich wäre ihr etwas schuldig. Im Grunde war sie keine Fremde mehr. Sie hatte mich angelächelt.
Und dann … und dann und dann … wusste ich außerdem, dass ich so was schon mal gemacht hatte. Mich schon mal so gefühlt hatte. Bestimmt in der Schule. Am College vielleicht auch. Ein paarmal in meinem Leben jedenfalls, immer wenn ich eine bestimmte Vorstellung von einer Person im Kopf hatte und zuließ, dass diese Vorstellung ungezügelt wuchern durfte.
Angefangen bei Emily Pye in der Schule. Ein Jahr unter mir und hübsch, und sie hatte mich einmal angelächelt, als sie mit ihren Freunden draußen beim Tor an mir vorbeilief. So kam es mir zumindest vor. Inzwischen ist mir klar, dass sie einfach nur gelächelt hatte, als sie an mir vorbeikam. Mit Anlächeln hatte es nichts zu tun gehabt. Aber unsere Blicke trafen sich mitten in einem Lächeln, und sie hatte sich eilig abgewandt.
Dieses Lächeln jedoch beherrschte meinen Nachmittag und dann meine Woche und dann mein letztes Schuljahr. Emily Pye hatte mich angelächelt! Was bedeutete … sie mochte mich. Plötzlich war sie von einem hübschen Mädchen aus der Klasse unter mir zu absolut allem geworden, was ich mir von einer Lebensgefährtin wünschte. Sie war perfekt … und sie mochte mich! Oh, Emily Pye, was werden wir alles gemeinsam
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