Auf den ersten Blick
hatte ich den Lehrberuf deshalb hinter mir gelassen: um Artikel runterzuhacken und von der Londoner Literatenszene gefeiert zu werden. Der Goldjunge mit Potenzial und noch dazu einer eigenen Meinung.
Ich nahm meinen Abschied und hielt eine Rede bei der Feier, die sie im Chiquita’s oben an der Hauptstraße für mich ausrichteten. Sie schenkten mir einen Miniatur pokal, in den mein Name eingraviert war und darunter »Wird schon werden«, und ich trank Tequila und stieß auf sieben glückliche Jahre an.
Endlich war ich frei.
Frei. Ich hatte die Freiheit, hier zu sitzen, in diesem Zimmer, und meinen Traum zu genießen: einen Milch kaffee im CodeMasters-Becher auf einem klapprigen Tisch in einem Zimmer über einem Videospielladen neben einer Bar, von der alle dachten , da wäre ein Bordell, wo aber gar keins war, und sah mir auf einem ramponierten MacBook einen Film über Tiere an, die malen können.
Und wer lacht jetzt zuletzt?
Trotzdem, ich weiß, was Sie denken. Das Geld, stimmt’s? Das Geld macht es besser? Also, nein. Die Bezahlung ist jämmerlich. Aber es war ein Anfang. Sarah und ich hatten immer große Pläne gehabt, und dafür hatten wir fleißig gespart. Als dann alles den Bach runterging, fiel uns bei den insgeheim – auch wenn wir es abstritten – unsere jeweilige Hälfte ein. Noch was Gutes am pragmatischen Leben: Die Hoffnung vergeht, aber wenigstens bringt das Ersparte Zinsen.
Entsprechend hatte ich ein ganz hübsches Bankkonto, ich zahlte keine Miete und hatte große Pläne. Reportagen schreiben vielleicht oder Reiseberichte. Irgendwas Besonderes. Erst mal London Now, später dann Vanity Fair oder Conde Naste Traveller oder GQ . Dahin wären die Tage, an denen ich Meinungen, die ich nicht teilte, Leuten andrehte, die sich nicht dafür interessierten.
Nur die PR -Leute interessierten sich dafür. Und die Künstler natürlich. Die berührte es am meisten. Aber zwischen denen und mir standen PR -Leute, und zwi schen mir und den PR -Leuten standen Redakteure, und so nahm es keinen Einfluss auf meine journalistische Integrität, wobei es manchmal vielleicht den Anschein haben mag, als besäße ich davon nicht viel. Aber eben doch genug, um mir Tierisch Gut – Die Wilde Seite der Kunst anzusehen.
Ich drückte START.
»Wie war der Film?«, fragte Dev.
Es war der nächste Morgen, und Dev hatte Zahnpasta um seinen Mund.
»Ganz toll«, sagte ich und lehnte mich an den Küchentresen. »Wusstest du, dass Seelöwen manchmal in Orange malen, wenn sie ihren freien Tag haben?«
»Ernsthaft?«, sagte er.
»Scheint so.«
Ich hatte mir von Anfang bis Ende angesehen, wie eine Katze an einer Staffelei saß und mit den Pfoten überall Farbe verschmierte. Dann war da ein impressionistischer Elefant, der mit seinem dicken Rüssel unbekümmert blaue Farbe auf einer riesigen Leinwand verteilte, während eine Frau mit Hut erstaunte Laute von sich gab.
Das könnte ich besser, hatte ich gedacht, doch dann gemerkt, dass – ja – ich könnte es besser, weil ich kein Elefant war.
»Was liegt heute an?«, sagte ich.
»Nachher kommt ein Typ vorbei, der einen Sega-Soundtrack verkaufen will, Limited Edition. Blaues Vinyl. Die Titelmusik von Golden Axe, Out Run, den Klassikern.«
»Du hast gar keinen Plattenspieler.«
»So was muss man einfach besitzen. Und du? Was hast du so vor?«
»Ich will kurz ins Büro. Mal sehen, ob da irgendwas geht.«
»Wieso schreibst du denen nicht einfach eine Mail?«
Da hatte er recht. Meistens lief unsere Arbeit über E-Mail. Aber ich mochte das Büro. Ich mochte den Kontakt. Den direkten Austausch. Näher kam ich so etwas wie einem Lehrerzimmer heutzutage kaum, und es war nett, sich mit seinen Journalistenkollegen zu unterhalten. Und außerdem kam ich so mal aus dem Power Up! und der Caledonian Road raus.
»Was ist mit heute Abend?«, sagte Dev lächelnd. »Treffen wir uns da, oder fahren wir zusammen hin?«
»Wohin?«, versuchte ich.
»Snappy Snaps«, sagte er mit großen Augen und offenbar gekränkt. »Charlotte Street!«
»Ach, ja … es ist nur … könnte sein, dass ich zu dieser Galeriesache muss. Für die Zeitung. Ist in Whitechapel, und ich weiß nicht, wie lange das da gehen soll, also …«
Dev sah mich nur an.
»Mann … bist du denn gar nicht neugierig? Ich bin es jedenfalls, obwohl ich dieses Mädchen noch nie gesehen habe. Könnte schließlich sein, dass sie gar nicht existiert und du einfach nur so eine Kamera gekauft hast. Komm schon!«
»Sie existiert. Und
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