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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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Dev. »Sie ist verheiratet.«
    Ich betrachtete das Foto vor meiner Nase.
    Es gab natürlich noch andere, aber das hier war das eine, das ich mir unbedingt ansehen sollte.
    »Sie ist verheiratet!«, wiederholte er.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Ich weiß nicht mal, was ich mir erhofft hatte.
    Selbstverständlich hatten wir es getan. Die Fotos abgeholt. Wir tranken nur das Bier, für das wir eigentlich gekommen waren, und schon standen wir drüben im Snappy Snaps.
    Und jetzt … da war sie nun. Das Mädchen. Sie hatte so ein Leuchten im Gesicht, und dieses Lächeln.
    Ich gab mir einen Tritt. Selbstredend war sie verheiratet.
    »Allerdings«, sagte Dev und deutete auf das Mädchen, »sieht das nicht gerade wie ein Hochzeitskleid aus. Wer heiratet denn in so was?«
    »Ja, was ist das?«
    Was es auch sein mochte, und trotz allem, was sie zu bieten hatte … es sah grauenvoll aus. Das war so ziemlich das einzig passende Wort dafür, auch wenn ich es in ihrer Gegenwart ganz sicher nie verwenden würde. Es war von sonderbarem Grün und sah aus, als hätte es jemand entworfen, der noch nie ein Mädchen gesehen hatte. Und auch kein Kleid.
    »Aber das ist definitiv ihr Freund. Guck dir mal die Körpersprache an.«
    Der Mann – gut aussehend, großstädtisch, vermutlich toller Skiläufer, besitzt eine Reihe kerniger Motorräder, kann zweifellos den Unterschied zwischen rotem und weißem Wein erklären – hatte seinen Arm um sie gelegt, und sie sah zufrieden aus. So richtig zufrieden. Er sah genauso zufrieden aus. Warum auch nicht? Sie war umwerfend. Trotz des Kleides. Ich merkte, dass ich seine klobige Uhr und seinen wohlgebräunten Teint verfluchte.
    »Er sieht gut aus, oder?«, sagte Dev. »Bestimmt ist er auch noch kultiviert. Bestimmt sagt er ›Brüste‹. Trotzdem. Wahrscheinlich ist es das Beste. Du willst doch nicht, dass sie so im Pub auftaucht.«
    »Du trägst ein Streetfighter -T-Shirt.«
    »Ich trage es nur ein. Ich will demnächst Pamela besuchen.«
    »Wer ist Pamela?«
    »Diese Kellnerin. Pam- eh -la. So sprechen es die Polen aus.«
    Ich blätterte die Fotos durch, sah mir jedes ein, zwei Sekunden lang an, aber wozu? Sie hatte einen Mann mit klobiger Uhr und kernigen Motorrädern, der seinen muskulösen, braun gebrannten Arm um sie legte.
    »Hier, das ist gut«, sagte Dev.
    Sie hatte versehentlich ihre Schuhe fotografiert. Und den Bürgersteig. Aber die anderen … die anderen schienen eine Geschichte zu erzählen. Eine Hochzeit, ein altes Auto, ein Kino …
    »Wir sollten die Bilder bei Snappy Snaps lassen«, sagte er. »Und sagen, dass es ein Versehen war. Wahrscheinlich hat sie die Kamera da gekauft und wollte die Fotos auch da entwickeln lassen. Könnte sein, dass sie zurückkommt.«
    Ja. Er hatte recht. Er hatte vollkommen recht.
    Fast wie zum Abschied blätterte ich die letzten Bilder durch.
    »Man kann nie wissen. Wenn du deine Nummer hinterlässt, setzt sie sich vielleicht mit dir in Verbindung und …«
    Aber auf einmal …
    … auf einmal hörte ich nicht mehr zu.
    Ich hörte ihn, aber ich hörte nicht mehr zu.
    Denn auf diesem Foto – diesem letzten Foto – fiel mir etwas auf.
    »Wohin jetzt?«, sagte Dev und leerte sein Glas. »Was wollen wir machen?«
    Aber ich starrte noch immer dieses Bild an, versuchte zu begreifen.
    Dieses Foto … dieses Foto war in einem Café aufgenommen worden. Da stand ein Tisch vor demjenigen, der fotografiert hatte, mit einer halb leeren Kaffeetasse und den Resten eines Stücks Irgendwas mit einem Löffel daneben. Das Café sah warm aus, gemütlich, und durchs Fenster sah man gerade eben noch das hellgelbe Licht eines schwarzen Taxis. Ein Kellner räumte ab, auf den Tischen lagen karierte Decken, an den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Fotos von B-Promis wie Andy Crane und Suggs, und drüben auf der anderen Seite, vom Bildausschnitt halbiert, mit einer Ausgabe von London Now in Händen, saß ein Mann.
    Besser gesagt: Drüben auf der anderen Seite, vom Bildausschnitt halbiert, mit einer Ausgabe von London Now in Händen, saß … ich.
    »Einen, der guten Rat ablehnte, sah man später blutend.«
    Altes Sprichwort der Shona, Simbabwe
    Hallo?
    Ich hoffe, da draußen ist jemand. Kann ich hier irgendwo was anklicken, um sicherzugehen?
    Hallo?
    In Zukunft werde ich auf meine Freunde hören. Wenn du mein Freund bist, kannst du mir vielleicht helfen, mich hier durchzubeißen. Ich werde auf deinen Rat hören. Wenn du mir also was zu sagen hast, fang ruhig an und sag es

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