Auf den ersten Blick
entfernt, aber da war es. Hoch oben auf der Klippe, mit Blick auf den Hafen … so was wie eine Kirche. Die Kirche, auf die mich Gary aufmerksam gemacht hatte.
»Wie heißt das Ding da oben?«, fragte ich den alten Mann, der inzwischen auf einer Bank saß.
»St. Hilda«, sagte er. »Auf dem East Cliff. Da gibt es auch eine Treppe. Sind allerdings hundertneunundneunzig Stufen.«
Aber ich hatte nicht die Absicht, diese Treppe hinaufzustapfen. Ich musste die Abtei nicht aus der Nähe sehen. Ich wollte sie so sehen, wie ich sie gesehen hatte. Aus demselben Winkel. Aus derselben Entfernung. So, wie sie sie gesehen hatte.
Plötzlich machte es klick . Es war ein merkwürdiger Moment. Vielleicht war es der kleine Junge in mir – der Sammler –, aber ich sah genau dasselbe, was das Mädchen gesehen hatte, und ich wollte es irgendwie festhalten. Um zu beweisen, dass ich auch hier gewesen war. Ein Souvenir oder … irgendwas zum Vorzeigen …
»Jungs, das da oben ist die …«
Doch Dev grinste schon. Er wusste Bescheid. Da war mir klar, dass er nur eine Orangina getrunken hatte.
Er holte etwas aus seiner Tasche und reichte es mir.
Es war ein kleiner Kasten.
Eine kleine Box.
Eine kleine Plastikbox mit der Aufschrift 35- mm-Einwegkamera .
»Bisschen weiter nach links, Mann«, sagte Matt. »Jetzt wieder ein bisschen nach rechts.«
Er betrachtete das Foto eingehend und versuchte, es genau nachzustellen. Der Sucher der neuen Einwegkamera war winzig und zerkratzt – Dev hatte sie in einem Happy Shopper gekauft –, aber obwohl der Himmel heute dunkler war und der Wind stärker, war das hier genau die richtige Stelle.
Sie hatte an jenem Tag in der Nähe von einem blauen Pfahl gestanden, gut sieben Meter neben einem Mülleimer, und beides hatten wir offenbar gefunden. Aber den Winkel richtig hinzubekommen … bis alles an Ort und Stelle war … das war die Kunst.
»Da!«, sagte Matt. »Genau so!«
Ich erstarrte.
»Okay … fertig?«, sagte Dev.
»Moment, Moment …«
Was für ein Gesicht sollte ich machen? Ich meine, ich stehe vor zwei Männern und lasse mich fotografieren. Die Etikette schreibt vor, dass ich etwas Fantasievolles machen sollte. Eine Fratze ziehen vielleicht oder winken wie ein Geisteskranker. Doch das hier ist nicht mein Foto. Es ist das Foto von jemand anderem. Es ist ihres . In gewisser Weise dränge ich mich auf. Ich weiß nicht, wie da die Regeln sind. Sollte ich respektvoller sein? Vielleicht sollte ich mir die Haare kämmen. Oder …
Klick.
»Super. Schönes Ding, Matt.«
»Warte mal«, sagte ich. »Ich hab nur … geguckt.«
»Es war perfekt. Du hast mürrisch und romantisch aus gesehen. Wie auf dem Cover einer Westlife-Single.«
»Aber ich habe nur geguckt! «
»Ich bin hier echt am Verhungern, Leute«, sagte Matt und steckte die Kamera weg.
»Warte! Eins noch!«
»Klingt ja fast, als würde es dir was bedeuten …«, sagte Dev lächelnd.
Kurze Pause.
»Ich glaube, wir sind da hinten an der Ecke an einem Hähnchengrill vorbeigekommen«, sagte ich.
Ich weiß nicht mehr, wie er hieß, also werde ich den Laden einfach »Käpt’n Terrors Palast der üblen Hähnchen« nennen. Matt war begeistert, dass es dort Menüs für weniger als fünf Pfund gab, und der Mann hinterm Tresen – Iraner vielleicht? – schien uns zu mögen.
»Woher kommt ihr Jungs?«, fragte er.
»London«, sagte ich.
»Ferien?«
»So ähnlich«, sagte ich.
Ich knabberte an meinem Maiskolben und wandte mich Matt zu.
»Bist du zufrieden mit deinem Job?«, fragte ich. »In der Werkstatt?«
Matt zuckte mit den Schultern.
»Schon okay.«
»Was möchtest du denn eigentlich machen?«
Wieder zuckte er mit den Schultern.
»Ich meine, letztendlich? Manche Leute scheinen für das, was sie tun, geboren zu sein. Andere müssen erst neu geboren werden«, erklärte ich etwas überheblich.
»Wird das hier irgendwie was Christliches?«, fragte Matt plötzlich entsetzt. »Sind wir deswegen hier? Kirchen fotografieren? Haben wir der dicken Frau in Pink deshalb gesagt, dass wir eine Familie sind?«
»Es ist eine Abtei, und sie ist nur ein bisschen rundlich. Und: nein.«
»Und was ist mit meinem Job nicht in Ordnung?«
»Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich meinte nur, weißt du … was für Träume hast du?«
»Kampfpilot?«, sagte Dev. »Rennfahrer?«
»Er ist doch keine sieben mehr.«
»Ich will was machen«, sagte Matt leise.
»Töpfern!«, sagte Dev. »Natürlich!«
»Ja, klar. Hört mal, am
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