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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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dass es so funktioniert«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass es ihr gefallen würde.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Zu viel Aufmerksamkeit. Wer weiß, wie ihre Lebensumstände gerade sind?«
    »Bitte? Ich rede hier nicht von einem großen Exposé … Ich sage nur, es gibt Hilfsmittel, die du nutzen kannst … diese Fotos, ja? Wir sind uns einig, dass sie voller Hinweise sind. Im Hintergrund ein Geschäft, ein schickes Auto vor einem großen Gebäude, auf dem Alaska steht …«
    Meinen Ausflug nach Bermondsey behielt ich für mich.
    »Du weißt nicht, was das für ein Gebäude ist … also fragst du deine Leser. Du nennst es ›Geheimes London!‹. Biete einen kleinen Preis an. ›Erkennen Sie dieses verborgene Fleckchen Londons?‹ …«
    Ich lächelte, unwillkürlich. Das war nicht übel.
    Wir blieben stehen.
    » London Now ist nicht nur London Now «, sagte er. »Es ist dein London … Now .«
    Er schien zufrieden mit sich.
    »Das solltest du als Slogan vorschlagen.«
    Das war gut. Ich machte was. Etwas, das nicht ganz so un heimlich war, wie diese Fotos weiter anzustarren, um dann nach Whitby oder Bermondsey oder sonst wohin zu fahren. Und diese Schnappschüsse … die stammten größtenteils aus London. Oder sahen zumindest so aus. Devs Idee hatte Hand und Fuß. Ich musste nur das richtige Foto auswählen und meine Heerscharen von Londoner Recher cheuren darauf ansetzen.
    Schweigend breitete ich die Bilder auf meinem Schreibtisch aus. Die meisten waren ungeeignet. Zum Beispiel eine Aufnahme davon, wie der Mann mit der klobigen Uhr Muscheln aß. Die nützte mir nichts. Andere aber schon. Auf einem Foto spazierte sie durch irgendeinen Park, hinter ihr ein steinernes Tor, halb von Laub überwuchert. Wir konnten dieses Tor einfach vergrößern. Das war doch verborgenes London. Irgendwer würde schon wissen, wo das war. Oder das hier, in einem Kino. Einem alten Filmtheater, in dem man förmlich damit rechnete, dass plötzlich ein Organist aus dem Boden aufstieg und »We’ll Meet Again« spielte, kurz vor Beginn der Samstagsmatinee. Auf dem Bild sieht sie glücklich aus. Eine Tüte Popcorn, eine Flasche Wasser, die Vorfreude auf einen besonderen Abend. Ich frage mich, wo das ist. Ich frage mich, was gezeigt wurde, an diesem Abend. Ich frage mich, ob …
    »Muscheln?«
    Ich zuckte zusammen, versuchte, meine Fotos einzusammeln. Ihre Fotos. Nicht meine.
    »Hm?«
    »Muscheln!«, sagte Clem und nahm das Foto in die Hand. »Klingt direkt unanständig, wenn man es so sagt, nicht? Wer ist dieser ansehnliche Bursche?«
    »Das ist …« – nun, wie wollte ich das erklären? Wie wollte ich erklären, weshalb ich ein Foto von einem ansehnlichen Burschen beim Muschelessen bei mir hatte? »Das ist mein Bruder«, log ich.
    »Ach ja?«
    Mist. Verdammt. Zoe. Wo war Zoe? Sie weiß, dass ich einen Bruder habe. Ich hatte ihn ihr gegenüber zwar nur am Rand erwähnt, wahrscheinlich, um mich selbst stärker ins rechte Licht zu rücken, aber trotzdem. Über alles andere hatten wir ausführlich gesprochen. Woher wir kamen, wo wir in zehn Jahren zu stehen hofften, was in der Zukunft passieren sollte. Wenn überhaupt, hatten wir zu viel darüber gesprochen.
    Ich blickte mich im Büro rasch um. Ich hatte Glück. Zoe war am Drucker und fluchte. Danke dem Herrn für die billige Tintenpatrone. Und danke, dass Zoe es in zehn Jahren bloß zu einem Job in einer Redaktion gebracht hatte, die sich teureTinte nicht leistete.
    »Ich sehe keine Ähnlichkeit«, sagte Clem. »Was macht er?«
    »Er ist … Kieferorthopäde.«
    Clem schien mir beeindruckt.
    »Er hat seine eigene Praxis«, sagte ich. »In … Wandsworth. Er ist mit einer Frau namens Lilian verheiratet, und sie haben keine Haustiere.«
    Ich konnte nicht aufhören.
    »Lilian ist Wirtschaftsingenieurin. Sie ist blond.«
    Ich wünschte, ich könnte die Klappe halten.
    »Finchley Road«, sagte Clem abwesend.
    »Was bitte?«
    Er deutete auf das Foto und lächelte.
    »Dieses Restaurant.«
    Wie? Woher wusste er?
    Er beugte sich vor und zeigte auf die Speisekarte in der Hand des ansehnlichen Mannes.
    »Wohin bringst du mich?«, sagte Dev. »Was soll das mit den Muscheln?«
    »Da«, sagte ich, als das Taxi am Swiss Cottage vor beifuhr.
    Wir waren auf dem Weg zur Prince Albert Street, unweit vom St. John’s Wood, und Dev war es nicht gewohnt, irgendwo zu sein, wo möglicherweise mal ein Prinz oder ein Heiliger gewesen war.
    »Dahin bringe ich dich«, sagte ich und zeigte auf das Hochhaus, als

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