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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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sicher, dass sie in meiner Miene lesen konnte, was ich dachte. Und zwar: »Soll das ein Witz sein, Abbey? Das ist dein Freund? Ich hoffe, sein Künstlername ist Captain Dickhead.«
    Es war eine Miene, die sagte: »Nie mehr will ich Beziehungs- oder anderweitige Ratschläge von jemandem entgegennehmen, der altklug in Camden an Kanälen oder in Bussen durch Bloomsbury oder draußen vor Cafés in der Nähe meiner Wohnung hockt. Denn du bist mit dem größten Schwachkopf Großbritanniens zusammen!«
    Es war eine Miene, die von Pauls monotonem Sperr feuer feindseliger, ungebetener Meinungen unterbrochen wurde.
    »In gewisser Weise bewundere ich dich dafür«, sagte er, und das war der Moment, in dem ich ihn zu Boden schlug, nur dass ich es nicht tat, »denn, haha … soll ich dir was sagen? Ich könnte nie tun, was du tust.«
    Er schüttelte den Kopf und wich unseren Blicken aus, als wollte er sagen: »Ja, das habe ich wirklich gesagt, Ende der Diskussion«, und andere selbstgerechte Phrasen. Ich fühlte mich nicht recht wohl.
    Ich sah zur Band hinüber, schweigend, und würgte meinen Flaschenhals.
    »Und … kommen denn viele Leute und sehen sich an, wie du mit deinen Püppchen spielst?«, fragte Dev un schuldig, und Paul blinzelte mit gespieltem Schrecken. »Muss doch ein Superjob sein. Ich würde auch gern den ganzen Tag spielen. Hilft doch bestimmt prima beim Stressabbau. Solange dir kein Faden reißt – dann wird es bestimmt richtig stressig.«
    Paul merkte sofort, was Dev vorhatte.
    »Und was machst du so?«, sagte er.
    »Ich arbeite beim Verteidigungsministerium«, sagte Dev. »Viel mehr darf ich nicht verraten.«
    »Du willst andeuten, dass du ein Spion bist«, sagte Paul unbeeindruckt. »Wie komme ich nur darauf, dass du wahrscheinlich am Empfang sitzt?«
    »Haha!«, sagte Dev. »Und führst du deine Zaubershow bald wieder vor?«
    »Theater«, korrigierte Paul. »Es ist ein Theaterstück.«
    »Denn ich habe einen vierjährigen Neffen, der gern mit Puppen spielt. Ich habe ihn auf die Muppet-Puppen gebracht. Er liebt die Muppet-Puppen!«
    »Die heißen einfach nur Muppets. Nicht Muppet-Puppen.«
    »Na, du bist der Experte. Du weißt bestimmt alles über Muppet-Puppen.«
    »Die Muppets sind nicht gerade …«
    »Was hat dein Interesse an den Muppets geweckt?«
    Ich bemerkte Abbeys Blick. Sie amüsierte sich still und leise.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Vierjährige meine Annäherung zu schätzen wissen.«
    »Wieso näherst du dich Vierjährigen?«
    »Sehr witzig.«
    »Was ist deine beste Puppe? Hast du ein Äffchen?«
    »Macht es Spaß, sich über mich lustig zu machen?«, fragte Paul, und das war Abbeys Chance, dazwischenzugehen und zu sagen: »Komm schon, Paul, du warst ein Arsch und unnötig herablassend. Das sind meine Freunde«, doch stattdessen sagte sie: »Paul hat recht. Werdet erwachsen, alle miteinander.«
    »Wenn das ihr Freund ist und er in London wohnt, wieso hat sie dann neulich bei uns übernachtet?«
    Wir lehnten uns über das Geländer der Empore, während die Roadies mit großen Keyboards herumhantierten, auf denen »Play&Record« stand.
    »Mal ja, mal nein. Vielleicht waren sie mal wieder bei ›nein‹. Außerdem ist er übellaunig und verschroben. Das hilft manchmal.«
    Ich war etwas genervt, dass er auf einmal da war, in unserer Gruppe, unangekündigt. Wir hatten uns von einem fröhlichen Trio in ein frostiges Quartett verwandelt, und alles nur wegen eines miesepetrigen Puppenspielers.
    Es schien, als wollte Abbey, dass wir ihn kennenlernten, aber gleichzeitig auch nicht. Sie suchte nicht unser Einverständnis. Vielleicht suchte sie unser Unverständnis.
    Plötzlich tippte mir jemand von hinten an die Schulter.
    »Alles klar?«
    »Mikey!«, sagte ich, und dann: »Was geht ab?«
    Ich hatte noch nie »Was geht ab?« gesagt. Mikey war allein, ohne den Rest der Band, aber da waren reichlich Leute in der Nähe, die ihn umschwirrten und mit ihm sprechen wollten.
    »Es läuft, Mann«, sagte er, und dann, als er Dev entdeckte: »Alles klar? Mikey.«
    »Dev«, sagte Dev mit überraschendem Selbstvertrauen. »Ich bin auch Musiker.«
    Ach du Schande.
    »Ja? Was spielst du?«
    »Musik.«
    Mikey machte das, was Leute machen, wenn sie verständig nicken, es aber gleichzeitig fertigbringen anzudeuten, dass sie einen nicht wirklich verstanden haben. Er wandte sich wieder zu mir.
    »Hey, wir müssen uns bei dir bedanken«, sagte er.
    »Was? Ihr müsst euch nicht bei mir bedanken«, sagte ich bescheiden,

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