Auf den Flügeln des Adlers
erkundigte sich Godfrey. »Hat er irgendwelche Erfolge zu verzeichnen?«
»Er hat Kontakt zu den Chinesen in Sydney aufgenommen«, erwiderte Michael, wobei er auf den polierten Marmorboden des Museums starrte. »Einer seiner Landsmänner liefert dem Baron sogar das Gemüse. Der Mann hat gute Beziehungen zu den Dienstboten, sodass er über jeden Klatsch informiert ist.«
Als Michael aufsah, wirkte sein Blick gequält. Godfrey konnte sich gut vorstellen, warum ihm der Tratsch zu schaffen machte. Horace Brown hatte ihn vor Beginn der Mission ausführlich über alles informiert, auch über die Beziehung der schönen Fiona zu ihrer nicht weniger bezaubernden Cousine, der Baronin Penelope von Fellmann.
»Wann werden Sie mit Missus White Kontakt aufnehmen?«, fragte er sanft.
»Übermorgen. John hat von seinem Kontaktmann erfahren, dass sich Missus White im Sommerhäuschen der Macintoshs in Manly aufhalten wird. Ich nehme an, dass sie dort auch die Baronin treffen wird.«
»Was werden Sie tun?«
»Ich werde sie aufsuchen und davon überzeugen, dass ich ihre Unterstützung brauche. Durch Erpressung, wenn nötig«, erwiderte Michael bitter.
Der Colonel nickte. Schweigen senkte sich über die beiden Männer, während sie der Parade von Damen und Herren zusahen, die an den Ausstellungsstücken vorüberflanierten.
Mit einem Seufzer brach Godfrey das Schweigen. »Ihre Arbeit für Horace ist beendet, Mister Duffy«, sagte er ruhig. Michael sah ihn scharf an, als wollte er seinen Ohren nicht trauen. »Horace hat mir ein Telegramm geschickt«, fuhr Godfrey fort, »in dem er mich darüber informierte, dass die Mission abgeblasen ist.«
»Abgeblasen? Was ist passiert?«
»Das weiß ich nicht, alter Junge. Aber Horace wird es Ihnen selbst sagen, wenn er nächste Woche eintrifft. Er hat Townsville verlassen, und zwar unmittelbar, nachdem ich letzte Woche sein Telegramm erhielt. Daher tappe ich ebenso im Dunkeln wie Sie selbst. In der Zwischenzeit werden Sie weiter bezahlt, bis Horace die langjährige geschäftliche Partnerschaft zwischen Ihnen beiden beendet.«
»Und warum haben Sie mir dann diese ganzen Fragen über die Deutschen gestellt?« Michael runzelte verärgert die Stirn. »Sie hätten mir gleich sagen können, dass die Mission abgeblasen ist.«
»Ich hatte meine Gründe«, sagte Godfrey, wobei er starr geradeaus blickte. »Ihre Tätigkeit für meinen Freund Horace ist zwar beendet, aber ich denke, ein Mann wie Sie könnte daran interessiert sein, für einen anderen guten Freund von mir zu arbeiten. Diese Tätigkeit ist großzügiger bezahlt als die Aufträge, die Sie in der Vergangenheit für Horace ausgeführt haben.«
»Was für eine Tätigkeit ist das? Und für wen?«, wollte Michael misstrauisch wissen.
Godfrey seufzte. »Das darf ich Ihnen im Augenblick leider nicht sagen. Aber bevor wir unser Gespräch fortsetzen, möchte ich Ihnen gern noch eine Frage stellen. Danach können Sie mein Angebot annehmen oder ablehnen.«
»Stellen Sie Ihre Frage«, knurrte Michael.
»Wie weit würden Sie gehen, um Ihren Sohn zu finden?«
Die Atmosphäre im Museum kam Michael plötzlich eisig vor. »Was wissen Sie, das ich nicht weiß, Colonel?« Sein Atem stockte.
»Offenbar ist Ihnen nicht bekannt, dass Ihr Sohn als vermisst gemeldet wurde. Es tut mir Leid.«
»Im Sudan?«
»Ich fürchte, ja. Anscheinend befand er sich, als er verschwand, bei einem Ort namens McNeill’s Zareba auf einer Aufklärungsmission für die Armee. Dabei muss er hinter den Linien auf eine Gruppe Derwische gestoßen sein. Die Leiche wurde bis jetzt nicht gefunden, daher gilt er offiziell als vermisst, bis es stichhaltige Beweise für seinen Tod gibt.«
Die gefliesten Böden der weitläufigen Museumshalle schienen auf Michael zuzurasen. Patrick vermisst, vermutlich tot! Sein Sohn war der einzige Teil seines Lebens, der aus einem Akt der Liebe entstanden war. »Was hat das Schicksal meines Sohnes mit dem Auftrag zu tun, den Sie mir anbieten wollen?«, fragte er. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Bei der an Ihnen interessierten Person handelt es sich um einen lieben Freund von mir, der kürzlich von der Möglichkeit erfuhr, dass Sie eine Reise nach Afrika unternehmen. Ich könnte Ihnen übrigens Empfehlungsschreiben für den Generalstab der Armee in Suakin ausstellen. Wir sind beide der Ansicht, dass Sie nicht nur ein finanzielles Interesse daran haben, Captain Duffy zu finden oder zumindest Gewissheit über sein Schicksal zu
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