Auf den Flügeln des Adlers
den Umbau der Schiffe, die die Route Australien-England befuhren, noch mehr Profit bringen würde, wenn gleichzeitig in Queensland eine Fleischfabrik errichtet wurde. Rind- und Lammfleisch aus der Kolonie konnten über die Schlachthöfe der Macintoshs geschleust und für den direkten Versand nach England verpackt werden. Die revolutionäre Erfindung der Kühlanlage bedeutete, dass australisches Fleisch frisch auf den englischen Tisch gelangte. Damit war die unverderbliche australische Schurwolle nicht länger das einzige wichtige Exportprodukt der fernen Kolonie. Bestes australisches Fleisch war selbst für die Tafel der Königin gut genug.
In dicken blauen Wolken stieg der Zigarrenrauch im Raum auf, während die Bankiers paffend lauschten. Der exzellente Portwein in den Kristallkaraffen gestaltete die Sitzung noch angenehmer. Schließlich nickten alle drei wie auf Kommando, und der Plan war genehmigt. So sehr sie ihren Schwiegersohn auch hasste und verachtete, Enid musste zugeben, dass es eine kluge Idee war, die gesamte Kette der Fleischproduktion von den kargen Weiden Queenslands bis zu den eleganten Tafeln Englands ohne teuren Mittelsmann in einer Hand zu vereinigen. Damit besaßen sie in diesem Bereich das Monopol.
»Danke, meine Herren.« Granville lächelte breit, als die Männer den verrauchten Raum verließen, um in ihre exklusiven Klubs in der Stadt oder zu ihren Familien in den wohlhabenden Vororten Sydneys zurückzukehren. Doch kaum war er allein mit Enid, verschwand das maskenhafte Grinsen. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich bei den Männern zu bedanken, und war sitzen geblieben. Granville schloss die Tür und wandte sich ihr zu. Seine aristokratische Attraktivität war mit den Jahren verblichen, sodass er nun eher wie ein Bankmanager oder Buchhalter in den mittleren Jahren wirkte. Aber sein Anzug besaß den besten Schnitt in der ganzen Kolonie und war in der Londoner Saville Row gefertigt worden.
»Ich habe dir noch gar nicht mein Beileid zu deinem tragischen Verlust ausgesprochen, Enid«, sagte er mit geheucheltem Mitgefühl. »Ein entsetzliches Schicksal für einen so jungen Menschen.«
Enid starrte ihn apathisch an. »Du kannst vielleicht Leute wie die Männer von eben von deinen Geschäftsplänen überzeugen«, sagte sie müde, »aber mir kannst du nichts vormachen. Das einzige Gefühl, das du kennst, ist Machtgier.«
»Aber natürlich hege ich Gefühle für meine Töchter – deine Enkelinnen«, erwiderte er. »Beide werden bald einundzwanzig«, setzte er hinzu, eine verschleierte Andeutung, dass sich Enids hartnäckige Kontrolle des Familienvermögens ihrem Ende näherte. »Wahrscheinlich werde ich beiden bei Erreichen der Volljährigkeit eine beträchtliche Summe auszahlen, damit sie das Erbe ihres Großvaters genießen können.«
»Als Ausgleich für ihre Anteile«, erwiderte Enid, bemüht, sich ihre Verbitterung nicht anmerken zu lassen. Auf keinen Fall sollte ihr verhasster Schwiegersohn merken, wie sehr es sie belastete, dass seine Töchter ihre Anteile höchstwahrscheinlich an ihn verkaufen würden. Damit würde er eine Zweidrittelmehrheit an den Macintosh-Unternehmen erlangen. »Du schenkst niemandem etwas, Granville«, sagte sie. »Nicht einmal deinem eigenen Fleisch und Blut.«
Granville funkelte die gebrechliche Frau, die ihn über den Tisch hinweg ansah, mit unverhülltem Hass an. Viele Jahre lang hatte sie die Familie Macintosh beherrscht, aber ihr eisernes Regiment näherte sich dem Ende, tröstete er sich. Vermutlich war sie nur aus England zurückgekehrt, um ihrem geliebten Enkel – dem Bastard seiner Frau –, den Weg zu bereiten, sodass er in der Firma eine aktivere Rolle spielen konnte, wenn er seinen Abschied von der Armee nahm, wie er es Enid versprochen hatte. Aber dieser Punkt war nun rein hypothetischer Natur, denn der Junge galt als vermisst und war vermutlich tot. »Dein Fleisch und Blut hat mir die Möglichkeit verschafft, diesen Platz einzunehmen«, höhnte er, während er nach der Rückenlehne des Stuhls am Tischende fasste, auf dem er zuvor gesessen hatte. »Einen Platz, den du offenbar nur ungern aufgibst, liebe Tante Enid.«
»Diese Position steht dir nicht zu, und das weißt du sehr wohl, Granville«, gab sie zurück, während sie zur Tür ging. »Bis zur Volljährigkeit deiner Töchter teilen wir uns die Entscheidungsgewalt über die Firma. Und bis dahin kann noch viel geschehen.«
»Das ist doch hoffentlich keine Drohung, Enid«, sagte er etwas
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