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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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ausgenutzt, ohne mir zu überlegen, welche Folgen das für deine Sicherheit haben könnte.«
    Johns dröhnendes Gelächter hallte durch das winzige Büro, bis es sich in einer Ecke unter dem Wellblechdach in einem Spinnennetz verfing. »Ich habe mich gelangweilt«, gab er zu, während sein Lachen zu einem Kichern wurde. »Eigentlich hab ich die Zeit geradezu vermisst, als wir beide unser Glück ständig auf die Probe stellten. Meine Frau hatte mich mit ihren köstlichen Nudelgerichten zu gut herausgefüttert, und allmählich hab ich mich gefragt, warum zum Teufel du allein im Osten Spaß haben solltest. Jedes Mal, wenn Horace auf ein Schwätzchen vorbeikam, hätte ich ihn fast gefragt, ob ich nicht wieder mit dir arbeiten kann.«
    »Diesmal ist es anders«, warnte Michael ihn mit einem traurigen Lächeln. »Der Kreis meines Lebens vollendet sich hier. Ich stehe erneut dem Feind gegenüber, der mein Leben zur Hölle gemacht hat, und zwar auf seinem Territorium. Er hält alle Trümpfe in der Hand.«
    »Das war doch früher auch nicht anders«, knurrte John. »Wir beide hatten immer schlechte Karten, aber irgendwie haben wir trotzdem überlebt.«
    Michael starrte seinen Freund an. Ja, das stimmte. Sie hatten viel gemeinsam erlebt, und immer hatten sie es gegen alle Wahrscheinlichkeit geschafft. Aber jetzt war die Situation eine andere. Jetzt operierte er im Schatten des Galgens. Jederzeit konnte ihn jemand erkennen und an die Polizei verraten. Ein Haftbefehl wegen Mordes verjährte nicht. Seinem Freund konnte die Verbindung mit einem gesuchten Verbrecher nur schaden, sie konnte sein Geschäft und seine Familie ruinieren. »Du verlässt morgen die Stadt«, wiederholte Michael stur, während er das Ende der Havanna abbiss, die er aus der Kiste auf dem Schreibtisch genommen, aber noch nicht angezündet hatte. »Was morgen geschieht, ist was Persönliches. Das hat nichts mit dir zu tun.«
    »Schon gut, du alter Idiot«, antwortete John Wong entnervt. »Wenn du darauf bestehst, verschwinde ich und überlasse dich deinen Problemen.«
    Misstrauisch starrte Michael seinen Freund an, der sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Seine unergründliche chinesische Seite hatte die Oberhand gewonnen. »Gibst du mir die Hand darauf?«, fragte er, wobei er Johns Miene genau studierte. Er meinte, einen Hauch von Unsicherheit zu entdecken.
    Diese ging jedoch schnell in dem Lächeln unter, das sich allmählich auf Johns Gesicht ausbreitete. Der Halbchinese streckte die Hand aus. »Beim Leben meiner Familie und bei meinen ehrenwerten Ahnen verspreche ich dir, dass ich die Stadt verlasse«, erklärte er.
    Michael ergriff seine Hand. »Das Leben deiner Familie, das nehme ich dir ja noch ab«, meinte er grinsend. »Aber deine ehrenwerten Ahnen! Du hast doch bestimmt noch nie auch nur ein Körnchen Weihrauch für sie verbrannt.«
    »Ich meine meine irischen Vorfahren«, parierte John. »Meines Wissens ist es eine Sitte dieses barbarischen Volkes, auf die Ahnen zu trinken statt Weihrauch zu verbrennen.«
    »Gute Idee. Ich schlage vor, wir trinken gemeinsam auf die alten Zeiten und unsere ehrenwerten Ahnen – die chinesischen und die irischen.«
    John nickte. Ein Eid auf das Leben seiner Familie war tatsächlich durch Blut geheiligt. Möglicherweise hatte er vergessen zu erwähnen, wann er Sydney verlassen würde. Bestimmt nicht, bevor er nicht sicher war, dass sein Freund nicht geradewegs den Greifern in die Falle ging.

29
    Die Besprechung mit den Bankiers zog sich bis in die frühen Abendstunden hin. Lady Enid Macintosh beteiligte sich kaum an der Diskussion über die Vorteile, die es mit sich brachte, wenn sie zwei weitere Macintosh-Schiffe mit Kühlanlagen ausstatteten. Ihr verhasster Schwiegersohn führte das Gespräch mit den grauen Männern, die das Unternehmen finanzieren würden, mehr oder weniger allein.
    In ihren Kummer und ihren Hass auf den selbstzufriedenen Mann am oberen Ende des langen, polierten Tisches versunken, saß sie in dem strengen, dunkel getäfelten Konferenzraum. Granville hatte den Vorsitz übernommen, um klarzustellen, welche Position er in den Unternehmen der Macintoshs innehatte. Enid besaß nicht mehr die Kraft, ihm diese Rolle streitig zu machen. Tatsächlich entglitt das Finanzimperium immer mehr ihrer strengen Kontrolle.
    Die drei anderen Männern, die um den Eichentisch saßen, vertraten die englischen Finanzinstitute hinter den Unternehmen der Macintoshs. Granville hatte sie davon überzeugt, dass das Geld für

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