Auf den Flügeln des Adlers
aber keine Stiefel.
Peter hatte es nicht fassen können, dass der Darambal tollkühn, und wie ein eingeborener Viehhirte gekleidet, in die Stadt marschiert war. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er sich in der Kaserne nach dem Polizisten erkundigt, der mit dem Versorgungstrupp zurückgekehrt war.
»Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, hatte Peter gefragt.
Wallarie hatte nur gekichert. »Vielleicht bin ich dir nach dem großen Kampf in den Bergen auf den Schwingen des Adlers gefolgt.«
Peter quittierte die Erklärung des alten Kriegers mit einem Stirnrunzeln, aber er wusste, dass er auf weitere Fragen nur sinnlose Antworten erhalten würde. »Dir ist doch klar, dass dich die Weißen hängen, wenn sie dich in der Stadt erwischen?«
Wallarie tat diese Bedenken mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Kein Weißer ist klug genug, mich zu fangen«, erwiderte er verächtlich. »Zeit, dass du die Stadt der Weißen verlässt und mit mir zum Traumzeit-Ort kommst, damit du ein Nerambura-Mann wirst.«
Peter dachte über das Angebot nach. Der ihm zustehende Platz in der Welt der Weißen war ihm versagt worden. Hatte er seine Fähigkeiten nicht in einer europäischen Schule unter Beweis gestellt? Und warum war Gordon, der längst nicht so klug war wie er, Offizier? Die Antworten lagen auf der Hand. Für die Weißen würde er immer ein Schwarzer bleiben.
»Wir brauchen Gewehre und Pferde«, erklärte Peter, ohne dem verhangenen Blick des mächtigen Darambal auszuweichen.
»Wie in den alten Zeiten, als ich mit deinem Vater geritten bin«, meinte der lächelnd. »Wir werden den Weißen zeigen, dass wir noch nicht geschlagen sind.«
Und so hatte alles angefangen.
Zuerst sah es ganz einfach aus, aber dann erstattete der Wirt des Branntweinausschanks beim Polizeihauptquartier in Townsville Anzeige. In seiner Wut bauschte er seine Geschichte so auf, dass daraus Mord und bewaffneter Raubüberfall wurden.
Unter den gegebenen Umständen zweifelte niemand das Wort eines Weißen an. Unglücklicherweise hatte Peter Wallarie mit Namen angesprochen, und der Wirt erinnerte sich daran. Die Legende von dem eingeborenen Buschläufer, der einst mit dem Iren Tom Duffy geritten war, war ihm wohl bekannt.
Von der ersten Nacht an teilten Matilda und Peter das Lager, und sie wurde sofort schwanger. Zwei Wochen ritt sie nun mit Wallarie und Peter, und seit zwei Wochen wuchs ein neues Leben in ihr. Nun trug auch sie Nerambura-Blut in sich, eine Tatsache, die der alte Krieger sehr wohl bemerkte.
Nicht dass sich ihr Aussehen verändert hätte, aber Wallarie wusste, dass sich in ihrem Körper eine Seele eingenistet hatte. Peter sagte er nichts davon, der würde es noch früh genug erfahren, nämlich dann, wenn Matilda selbst sich darüber klar wurde.
Während Wallarie vor sich hin kichernd das Lagerfeuer schürte, genoss er die Schönheit des nächtlichen Himmels und schlürfte seinen stark gesüßten schwarzen Tee. Doch dann heulte in der Ferne ein Dingo, und der alte Krieger hob das bärtige Gesicht und sah nach Norden. Der Wind und das jammervolle Heulen brachten ihm Nachricht von Gordon James, der nach Süden ritt, um sie zu finden. Die Zeit war knapp. Bald würde sich die alte Prophezeiung erfüllen: Entweder Peter oder Gordon musste bei ihrer nächsten Begegnung sterben.
Trübsinnig starrte Wallarie auf das junge Paar, das sich nicht weit von ihm in glücklicher Unkenntnis seiner entsetzlichen Vorahnung unter Peters Decke zusammengerollt hatte. Hatte das, was er Peter gelehrt hatte, den Jungen auf die Begegnung vorbereitet? Oder würde der Sohn von Henry James den Sieg davontragen? Nur die Geister seiner Ahnen kannten die Antwort darauf. In den alten Geschichten von der Traumzeit seines Volkes lag die Lösung des Rätsels.
Instinktiv blickte er über das Brigalow-Buschland auf den zerklüfteten Berg, dessen Silhouette sich vor dem Nachthimmel abhob. Sie befanden sich erneut auf dem angestammten Land des Nerambura-Clans, und der heilige Berg lockte ihn mit seiner uralten Macht. Am nächsten Morgen würde Peter Matilda zurücklassen und ihm zur Höhle folgen müssen, um in die Welt der Männer der Nerambura eingeführt zu werden. Erst dann konnte er sich Gordon James stellen.
38
Lieutenant Alexander Sutherland suchte mit den Blicken die flimmernde, flache Ebene ab, die nur aus Geröll und Wüstensand zu bestehen schien und sich wie ein endloses Meer aus Sand und Stein bis zum Horizont erstreckte. Hinter ihm erhoben sich die
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