Auf den Flügeln des Adlers
Du kannst mich nicht in Ruhe lassen, weil deine Pflicht Ihrer Majestät gegenüber für dich wichtiger ist als alte Freundschaften.«
»Vor dieser Patrouille wollte ich den Dienst quittieren.« Gordon steckte den Revolver ins Holster zurück. »Sarah will mich sonst nicht heiraten.«
»Du … willst Sarah heiraten?«
Gordon ging Peter gegenüber in die Hocke. »Ja. Dies ist meine letzte Patrouille.«
»Du heiratest meine Schwester also wirklich«, wiederholte Peter kopfschüttelnd. »Das ist allerdings wichtig. Aber ich gehe trotzdem nicht mit dir zurück. Wallarie und ich haben andere Pläne.«
»Ich habe dein Mädchen«, erinnerte Gordon ihn. »Wahrscheinlich werde ich sie ihrem Arbeitgeber bringen, den du auf deiner Reise ja bereits kennen gelernt hast.«
»Der versoffene Mistkerl! Vermutlich hat er behauptet, wir hätten versucht, ihn umzubringen, stimmt’s?«
»Ja, aber anscheinend fehlt es ihm an Beweisen dafür.«
»Weil wir es nicht getan haben«, grollte Peter. »Wenn wir ihn hätten umbringen wollen, dann wäre er jetzt nicht mehr am Leben.«
»Ich weiß. Deswegen habe ich seine Geschichte auch nicht geglaubt.«
Ein anerkennendes Lächeln huschte über Peters Gesicht. Zumindest hatte sein alter Freund den Glauben an ihn nicht völlig verloren. Im Dämmerlicht sah er Gordon prüfend an. »Vielleicht komme ich doch mit«, meinte er dann, »aber zuerst musst du ein paar Dinge für mich erledigen.« Gordon nickte zustimmend. Auf jeden Fall wollte er sich Peters Vorschlag anhören. »Du versuchst, Matilda eine Stellung auf Glen View zu besorgen. Sie ist klug und spricht gut Englisch. Sie kann für die Frau des Verwalters im Haupthaus so ziemlich jede Arbeit erledigen.«
»Geht in Ordnung«, erklärte Gordon.
Peter fuhr fort. »Zweitens brecht ihr die Suche nach Wallarie sofort ab. Du kannst mich verhaften, aber Wallarie bleibt hier. Das ist sein Land, und sonst hat er auf der Welt nichts. Er ist nicht mehr jung und wird für die Weißen in Zukunft keine Bedrohung mehr darstellen.«
»Du verlangst viel von mir«, erwiderte Gordon zögernd. Diese zweite Forderung brachte ihn in Konflikt mit seinem Pflichtgefühl, obwohl ihm sein Sinn für Fairness sagte, dass sie nicht unberechtigt war. »Der alte Bastard hat eine Menge auf dem Kerbholz.«
»Das sind meine Bedingungen«, erwiderte Peter. »Wenn du sie erfüllst, gehe ich mit dir.«
Schweigen senkte sich über die Männer. Gordon erhob sich, und Peter sah, dass er mit sich rang. Die Entscheidung, sich zu stellen, hatte er schon lange vor Gordons Ankunft getroffen, als er erfahren hatte, dass Matilda schwanger war. Er trug nun Verantwortung für sie und das Kind, das sie erwartete. Daher wollte er lieber sein Glück vor einem Gericht versuchen, als ein Leben als gesuchter Verbrecher führen. Besser eine Zeit lang im Gefängnis sitzen, als zu riskieren, dass er seine Kinder nicht aufwachsen sah. Außerdem, dachte er mit ironischem Grinsen, hatte er damit seinen alten Freund überlistet. Er hatte immer gewusst, dass er sich Gordon eines Tages stellen musste. Durch seine Kapitulation würde er den Bann der entsetzlichen Vorahnung brechen. Keiner von ihnen beiden musste sterben.
Vom ersten Augenblick an, als er den heiligen Ort der Nerambura betreten hatte, hatte sich Peter unbehaglich gefühlt. Wie sich über der mit Brigalow-Akazien bestandenen Ebene Gewitterwolken zusammenbrauten, die sich in heftigen Sommergewittern entluden, so schien sich eine entsetzliche Tragödie anzukündigen. Was es auch war, sie waren in einem Kreislauf gefangen, den er durchbrechen musste.
»Glaubst du an das hier?«, fragte Gordon mit einem Blick auf die uralten Figuren, die die Rückwand der Höhle schmückten. »An dieses Eingeborenenzeug, meine ich?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Peter. »Irgendwie schon, auch wenn uns die Nonnen in der Klosterschule erzählt haben, das sei alles abergläubischer Unsinn. Vielleicht kommt es immer darauf an, was man zuerst lernt. Wenn ich die Geschichten der Nerambura schon früher von Wallarie gehört hätte, hätte ich vielleicht gedacht, das Christentum wäre Aberglaube und das hier wirklich. In dieser Höhle kommt es mir jedenfalls wirklich genug vor.«
»Ich glaube, ich verstehe dich.« Eine winzige weiße Kriegergestalt, die wie ein Strichmännchen gemalt war und den Speer zum Wurf auf ein unbekanntes Ziel erhoben hatte, fesselte Gordons Aufmerksamkeit. Die Figur war verkratzt, als hätte jemand versucht, mit einer
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