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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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gegen die Möglichkeit zu wappnen, dass sie jemand anderen gefunden hatte, und sich einzureden, dass er das akzeptieren könnte. Aber tief in seinem Herzen flüsterte ihm eine nagende Stimme zu, dass dieser Gedanke zu entsetzlich war, um ihn überhaupt in Betracht zu ziehen. Weder Zeit noch Entfernung hatten seine Sehnsucht nach ihr gemildert.
    Für einen Augenblick hielt er inne und ließ die Gedanken auf sich einströmen. Er spürte die Weite der riesigen Wüste jenseits des britischen Armeelagers von Suakin. In der Wildnis hinter jenen Hügeln, wo er sich von einem Tag auf den anderen durchgeschlagen hatte, hatte er das eigentliche Wesen des Lebens erkannt. Wie einfach war diese Existenz, wo nur sein eigener Überlebenswille zählte, das Gefühl der Allmacht, wenn das Leben eines Mannes unter seinem Messer aus der blutenden Kehle strömte. Was nutzten Einfluss und Geld, wenn das Überleben einzig von der körperlichen und geistigen Stärke abhing? War er wirklich der Mensch, den er dort draußen in sich selbst gefunden hatte? War das alles?
    Unterdessen schwitzten und schufteten um ihn herum Soldaten, die ihre Uniform bis auf das Unterhemd abgelegt hatten. Die Geräusche der rastenden Armee drangen an sein Ohr: Ein Schmiedehammer schlug scheppernd gegen Metall, um Hufeisen für die Pferde zu formen, auf einem staubigen Exerziergelände bellte ein Ausbilder seine Soldaten an, weil sie seine Befehle nicht exakt gleichzeitig ausführten, die Köche stritten sich um die Rationen, die in den riesigen Töpfen zubereitet wurden. Laute, die Patrick so vertraut geworden waren wie das Klappern und Rattern von Kutschen und Pferdegespannen auf den kalten, winterlichen Straßen Londons.
    Er stolperte zu seinem Zeit, wo er sich auf einen Stuhl fallen ließ, der an einem kleinen, vom Wüstenstaub bedeckten Tisch stand. Tränen stiegen ihm in die Augen, als ihm bewusst wurde, wie leer sein Leben war. Abgesehen von seiner Großmutter hatte er keine wirkliche Familie. Er fragte sich, was für sein Mann sein Vater wohl gewesen war. Wenn er ihn doch nur gekannt hätte! Wenn er Michael Duffy nur jemals begegnet wäre, der selbst im Tod noch so stark war, dass sich eine Legende um ihn rankte.
    Ein kleines Objekt, das sorgfältig in ein Stück sauberen Stoff eingewickelt war, riss ihn aus seinen melancholischen Gedanken. Ein verwirrter Ausdruck legte sich auf sein sonnengebräuntes Gesicht, als er auf das Päckchen starrte. Er musste die kleine Göttin nicht erst auspacken, um zu wissen, was das Tuch enthielt.
    »Private MacDonald! Du großartiger, hinterhältiger Mistkerl!«, stieß er mit einem freudigen Seufzer der Erleichterung aus. »Du hast meinen Befehl missachtet!«
     
    Auf dem Lazarettschiff Ganges lag Private Francis Farrell zwischen vom Schweiß durchtränkten Betttüchern und starrte in die Dunkelheit hinein. Um ihn herum wanden sich stöhnende Männer, die die bösartige Darmgrippe gepackt hatte. Im Schlaf Erleichterung zu finden blieb dem Iren versagt. Als er nach oben sah, schien die Eisendecke über ihm Wellen zu werfen, bei deren Anblick ihm übel wurde. Er verfluchte die schwächende Krankheit, die seinen Körper heimsuchte. Vor nur drei Tagen hatte er sich wie der König der Welt gefühlt und sich dazu beglückwünscht, dass er den Feldzug überlebt hatte.
    Jetzt lag er hilflos danieder, und die tödlichen Bakterien tobten in seinen Gedärmen. Er wusste, dass die Abreise unmittelbar bevorstand, die Nachricht hatte auch die Krankenstation erreicht. Mit dem Verladen der Ausrüstung war bereits begonnen worden.
    Private Farrell hatte Angst, dass ihn seine Krankheit daran hindern würde, mit dem Kontingent der australischen Freiwilligen an Bord des Truppentransporters zu gehen, der sie nach Sydney zurückbringen sollte. Es gab Gerüchte, dass die nicht transportfähigen Soldaten zurückgelassen würden, bis sie sich erholt hatten. Ein Soldat aus den Kolonien war bereits an der Krankheit gestorben, die Francis Farrell fest im Griff hielt.
    Brennender Durst breitete sich in seinem Körper aus. Durch den unkontrollierbaren Durchfall verlor er immer mehr Flüssigkeit. Die Milch-und-Reis-Diät, auf die man ihn gesetzt hatte, schien ihre Wirkung zu verfehlen. Der abgebrühte Polizist, der früher in den gefährlichsten Vierteln Sydneys Streife gegangen war, fühlte sich hilflos wie ein Kind.
    Tränen liefen ihm über das Gesicht. Wenn er jetzt starb, würde er dem jungen Patrick Duffy nie sagen können, dass sein Vater noch

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