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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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lebte. »Wasser!«, krächzte er schwach. Ein Schatten erschien neben seinem Bett.
    Eine sanfte Hand berührte seine Stirn, und eine beruhigende englische Stimme drang an sein Ohr. »Ganz ruhig, Paddy, ich hol dir was zu trinken.« Der Dienst habende Sanitäter hielt ihm das Wasser an die Lippen und stützte ihn, sodass er trinken konnte. Das Schlucken fiel Francis schwer, und ein Großteil der Flüssigkeit rann über sein Kinn in den buschigen Bart. Obwohl er das Gesicht des Sanitäters nicht sehen konnte, fühlte er sich umsorgt. »Versuch zu schlafen, Paddy«, drängte die sanfte Stimme, und Francis tastete in der Dunkelheit nach der Hand des Mannes. Sein Griff war so kräftig, dass der Sanitäter fest davon überzeugt war, dass der Ire wieder gesund werden würde.
    Dann griff der Schlaf nach Francis Farrell. Es war ein tiefer Schlummer voller wilder Fieberträume mit merkwürdigen Visionen eines zerklüfteten Hügels, der in Flammen stand – ein Ort des Todes. Francis schwebte auf den Flügeln eines Adlers über den feurigen Höhen. Ist dies die Hölle?, fragte er sich, als ihn die heißen Aufwinde der Wüste um den Berg hilflos gen Himmel schleuderten. Oder erinnerte er sich nur an die zerklüfteten Hügel, in die das Kontingent aus Neusüdwales unter der brennenden Sonne des Sudan einen Weg für die Eisenbahnlinie geschlagen hatte, die die britische Armee von Suakin an der Küste nach Berber im Westen transportieren sollte?
    Der Sanitätsunteroffizier fürchtete jetzt, dass der hünenhafte Ire aus den Kolonien die Nacht nicht überstehen würde. Er schien am Rand des Todes zu stehen. Seine Temperatur war mit einem Schlag gestiegen, und er befand sich in einem Delirium, in dem sich die Türen zur nächsten Welt öffneten. Der Sanitäter saß bei Private Francis Farrell am Bett und tupfte ihm die fiebrige Stirn ab. Viel mehr konnte er nicht tun. Dann summte er eine Melodie, die ihm seine Mutter vor langer Zeit vorgesungen hatte, als er ein Kind in den Slums der Docks von Liverpool war. Wenn ein Mann starb, war es bestimmt tröstlich, das Lied einer liebevollen Mutter zu hören. Er fragte sich, was der Soldat da vor sich hinredete. »Patrick, dein Vater lebt, und ich weiß, wo er ist!«, rief der Kranke. Was er wohl damit meinte?

42
    In den Stunden vor der Morgendämmerung, in denen die Natur in Erwartung der aufgehenden Sonne erwachte, waren die Reiter nur als verschwommene Schatten zu erkennen. Es war die Zeit, da die Geister der Nacht vor dem anbrechenden Tag in die Höhlen und Nischen der heiligen Hügel von Glen View flüchteten.
    Die müden Polizisten folgten dem eingeborenen Viehhirten und Gordon James hintereinander reitend. Dabei überließen sie es ihren Pferden, den Weg durch den Busch zu finden. Sie hatten nicht viel Schlaf bekommen und waren früh aufgestanden, das schlug sich auf ihre Stimmung nieder.
    »Da oben baal !«, zischte der Aborigine und zeigte mit dem Finger auf einen zerklüfteten Gipfel, der sich direkt aus dem dichten Busch erhob. Beim Anblick der letzten Sterne am Morgenhimmel, die wie eine Tiara über dem Hügel standen, fragte sich Gordon, wie ein solch friedliches Stück Landschaft böse sein konnte. Das war also der heilige Ort, dachte er. Ihm fielen die Geschichten ein, die ihm sein Vater über dessen unheimliche Macht erzählt hatte. Obwohl Henry James über den Glauben der Ureinwohner gespottet hatte, schien er sich stets unbehaglich zu fühlen, wenn er von den Legenden sprach, die sich um den Hügel der Nerambura rankten.
    »Seid wachsam«, warnte Gordon. »Trooper George zu mir«, rief er leise. Einer der eingeborenen Polizisten erschien neben ihm. »Du erkundest das Wasserloch. Wenn du irgendwas findest, erstattest du sofort Meldung.« Der Mann nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und ritt davon. Unterdessen erteilte Gordon den Reitern den Befehl zum Rühren, der von einem zum anderen weitergegeben wurde. Gordon hoffte, dass er sich geirrt hatte mit seiner Vermutung, Wallarie würde Peter zum Hügel der Nerambura bringen. Wenn er die beiden nicht fand, konnte er nach Townsville zurückkehren und den Dienst quittieren. Irgendwo in ihm nagte Furcht, eine unbestimmte Angst, das Gefühl einer Bedrohung. Kate Tracy hätte es eine Vorahnung genannt.
    Nach wenigen Minuten riss ihn die Rückkehr des Kundschafters aus seinen Gedanken. Dessen Miene war grimmig, und Gordon fühlte, wie sich in seinem Magen ein Knoten bildete.
    »Hab was gefunden, Boss«, meldete der Polizist.

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