Auf den Flügeln des Adlers
er. Seine rot geränderten, tief in den Höhlen liegenden Augen zeugten von dem anstrengenden Ritt nach Norden, nach Townsville, wo er erfahren hatte, dass seine Mutter einem schweren Schlaganfall erlegen war. Schmerz und Erschöpfung hingen wie ein Schleier über ihm. Angesichts der Ereignisse der letzten Wochen schien er zu verzweifeln.
Doch so sehr Kate seine Trauer über den Tod von Emma James auch mitempfand, so sehr schmerzte sie der Tod ihres Neffen Peter Duffy. Schließlich hatte Gordon sich freiwillig für die Jagd auf Peter gemeldet, dachte sie, während sie ihn unverwandt ansah. Welche Konsequenzen das haben konnte, hätte er sich eher überlegen müssen.
Sarah, die in ihrem Zimmer auf einem Sessel saß und mit versteinertem Gesicht auf die verzierte Tapete starrte, hörte, wie ihre Tante Gordon draußen mitteilte, er sei hier nicht mehr willkommen.
Müde ließ Gordon die Schultern sinken und gab sich geschlagen. Er hatte nicht die Kraft, sich zu verteidigen. Mittlerweile zweifelte er nicht mehr daran, dass ein Fluch auf ihm lag. Schließlich war er der Sohn des Mannes, der lange vor seiner Geburt den Zorn der Mächte erregt hatte, die am heiligen Ort der Nerambura herrschten. Anders konnte er sich den unerwarteten Tod seiner Mutter nicht erklären, die genau zu der Zeit gestorben war, als er Peter Duffy getötet hatte. Zeugen hatten beobachtet, wie sie auf dem Weg zu Kates Laden plötzlich zusammenbrach. Als der Arzt kam, war sie bereits tot.
Drinnen im Haus hörte Kate ihren kleinen Sohn weinen. Sie drehte Gordon den Rücken zu, und er ging zu seinem Pferd zurück, das er am Eingangstor angebunden hatte. Ihm blieb keine Wahl.
Als Kate Matthew erreichte, hatte Sarah ihn schon auf den Arm genommen. Voller Kummer sahen sich die beiden Frauen an. Gordons Besuch hatte ihrem Schmerz neue Nahrung verliehen. Sarah drückte den Kleinen an ihre Brust und wiegte ihn.
»Wenn du dir anhören willst, was er zu sagen hat, könnte ich das verstehen«, sagte Kate.
Sarah schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat meinen Bruder getötet«, erwiderte sie leise. »Das könnte ich ihm nie verzeihen. Niemals!«
»Aber du liebst ihn immer noch«, stellte Kate sanft fest.
Die Tränen stiegen Sarah in die Augen. Mit der Macht einer Explosion brach es aus ihr heraus: »Ja!« Mehr sagte sie nicht.
In der Ferne hörte Kate den leiser werdenden Hufschlag eines galoppierenden Pferdes. Gordon ritt aus ihrer beider Leben. Aber für wie lange? Die Zeit milderte jeden Kummer, und wenn sie ihre Nichte ansah, wusste sie, dass diese nicht nur um ihren toten Bruder trauerte.
Das Haus war voller Dinge, die Gordon an seine Mutter erinnerten. Wenn ein plötzlicher Tod die Seele forderte, blieb keine Zeit zum Aufräumen.
Auf dem Küchentisch lag neben einer Rührschüssel ein offener Gedichtband. Gordon schloss das Buch. Sie musste beim Kochen gelesen haben. Dann hatte sie gemerkt, dass ihr das Mehl ausgegangen war, und war zu Kates Laden gelaufen. Doch auf der Straße hatte sie der Tod ereilt.
Was für ein Mensch sie wohl wirklich gewesen war? Er kannte sie nur als Mutter, deren Lebenszweck es war, ihn zu lieben und zu umsorgen, doch irgendwann musste sie eine temperamentvolle junge Frau gewesen sein, die mutig genug war, über das Meer in ein fernes, fremdes Land zu reisen. Dort hatte sie seinen Vater kennen gelernt und geheiratet. Hatten sie einander ebenso leidenschaftlich begehrt wie er Sarah Duffy?
»Es tut mir Leid für dich, Gordon.«
Der Klang ihrer Stimme hinter seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln. Er war so in die Gedanken an seine Mutter vertieft gewesen, dass er gar nicht gehört hatte, wie Sarah das Haus betrat. »Sarah!«
Zögernd stand sie in der Küchentür. »Ich wollte dich nicht stören. Ich beobachte dich schon seit ein paar Minuten, aber du warst vollkommen in deine Gedanken versunken.«
»Ich bin nur hier, um aufzuräumen, bevor das Haus verkauft wird«, antwortete er leise. »Es muss schließlich alles in Ordnung sein. Bleibst du einen Moment bei mir?«
Sarah schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass deine Mutter auch für mich ein ganz besonderer Mensch war.«
»Willst du mir nicht Gelegenheit geben zu erklären, was geschehen ist?«, flehte er.
»Da gibt es nichts zu erklären, Gordon. Du hast meinen Bruder getötet.«
»Verdammt, Sarah! Ich habe Peter geliebt wie meinen eigenen Bruder«, erwiderte er scharf. Allmählich wurde er wütend.
»Niemand hat dich gezwungen,
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