Auf den Flügeln des Adlers
ihn zu jagen«, erwiderte Sarah bitter. »Du hast gewusst, dass es entsetzliche Folgen haben könnte.«
»Ich habe zugelassen, dass meine Sorge um seine Sicherheit mein Urteilsvermögen trübte. Aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich nicht wieder auf die Suche nach Peter gehen, das schwöre ich dir.«
»Für Erklärungen ist es jetzt zu spät, Gordon. Mein Bruder ist tot, und er ist durch deine Hand gestorben«, sagte sie leise. »Ich gehe jetzt besser, bevor du etwas sagst, wofür ich dich hassen würde.«
Mit wenigen Schritten durchmaß Gordon die kleine Küche und packte sie an den Schultern, bevor sie sich umdrehen und das Haus verlassen konnte. Sein Griff war hart. »Du liebst mich immer noch, egal, was du sagst«, erklärte er mit grimmiger Entschlossenheit. »Ist es nicht so, Sarah Duffy?«
Sie versuchte, sich zu befreien, ohne seine Frage zu beantworten. »Was ich fühle, ist unerheblich«, sagte sie dann, während sie sich in seinem Griff wand. »Es steht nicht in meiner Macht, bestimmte Dinge zu vergeben. Ich habe bis jetzt nie über meine Abstammung nachgedacht. Aber ich weiß, dass mein Bruder heute noch leben würde, wenn er kein halber Schwarzer gewesen wäre, wie du es nennen würdest. Es muss wohl die Ureinwohnerin in mir sein – wir glauben nämlich, dass jeder für seine Taten bezahlen muss. Diese Überzeugung ist stärker, als du dir jemals vorstellen kannst. Lass mich los, Gordon, denn wir beide können niemals zusammen sein. Nicht, solange wir leben.«
Gordon sah das Feuer in ihren Augen, als sie ihm ihre Zurückweisung entgegenschleuderte. Nie hatte er sie so erlebt, noch nicht einmal, als sie Kinder waren. Wenn Peter und er sie geärgert hatten, war sie zwar wütend geworden, hatte ihrem Zorn aber nie so heftig Ausdruck verliehen. Ihre Rache war es, ihm auf ewig zu versagen, wonach er sich am meisten sehnte – sie! Nie zuvor hatte er sie so begehrt wie in diesem Augenblick. »Wenn du dich wie eine Schwarze aufführen willst, dann zeige ich dir, wie wir Schwarze behandeln«, fauchte er und packte sie noch fester an den Schultern.
Sie zuckte vor Schmerz zusammen, senkte aber die Augen, in denen kalter Hass stand, nicht. Dann spuckte sie ihm ins Gesicht und fühlte fast im selben Augenblick, wie er ihr mit dem Handrücken einen brennenden Schlag gegen die Wange versetzte. »Tun Sie, was Sie wollen, Inspektor James«, zischte sie voll kontrollierter Verachtung. »Ich werde Sie nicht daran hindern.«
Plötzlich fiel Gordons Wut in sich zusammen, und ihm wurde klar, was er fast getan hätte. Zitternd löste er seinen Griff und taumelte rückwärts gegen die Küchen wand. Dort sank er zu Boden und bedeckte mit den Händen sein Gesicht. Tiefe Schluchzer schüttelten seinen Körper, als ihn Kummer und Schmerz überwältigten.
Unsicher blickte Sarah ihn an. Sie sehnte sich verzweifelt danach, zu ihm zu gehen und ihn an ihre Brust zu drücken, aber die Erinnerung an ihren geliebten Peter war stärker. Die Hand, die ihren Bruder getötet hatte, hatte auch sie geschlagen.
Als Gordon sich schließlich ausgeweint hatte, merkte er kaum, dass sie fort war. Er hatte mehr verloren als seinen Jugendfreund. Bis auf seine Arbeit war ihm nichts geblieben. Nur eine kleine, aber intensive Flamme der Hoffnung hinderte ihn daran, seinen Revolver aus dem Holster zu ziehen und allem ein Ende zu setzen.
Das Haus war verkauft. Gordon hatte sein Kündigungsschreiben niemals vorgelegt. Nun saß er in Uniform auf seinem Pferd und blickte auf Kate Tracys Haus. Er war allein, und bald würde er nach Rockhampton reiten, um seine neue Stelle anzutreten. Ob Sarah wohl im Haus war? Das Herz wollte ihm brechen. Sein Pferd wurde unter ihm unruhig, und er tätschelte der Stute geistesabwesend den Hals. »Ich weiß«, sagte er leise zu dem Tier, »es wird Zeit für uns.«
Er wendete das Pferd und ritt mit Tränen in den Augen davon. Verlegen wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Ich würde mein Leben geben, um dir meine Liebe zu beweisen, Sarah«, flüsterte er. »Wenn du das doch nur verstehen würdest.«
46
Bei Sonnenuntergang ließ die drückende Hitze nach, die den ganzen Tag über geherrscht hatte. Die versammelte Menge drängte und schubste, um sich einen besseren Blick auf den staubigen Kampfplatz zu sichern, auf dem sich die Gegner mit entblößtem Oberkörper gegenüberstanden. Beide trugen enge Hüfthosen. Die Volksfest-Atmosphäre
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