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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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verzweifelt schluchzend an ihr vorbeistürmte.
    Enid blieb am Schreibtisch sitzen und starrte auf die offene Tür. Am liebsten hätte sie ihrer Tochter nachgerufen, sie werde sich das Angebot überlegen, aber sie war wie gelähmt. Wenn sie auf den Vorschlag ihrer Tochter einging, musste sie Patrick gestehen, dass sie ihn jahrelang angelogen hatte und dass seine Mutter durchaus etwas für ihn empfand.
    Dann kehrte ihre Stimme endlich zurück. Sie versuchte, hinter ihrem Schreibtisch auf die Beine zu kommen. Ein heiserer, erstickter Schrei der Verzweiflung entrang sich ihrer Kehle. »Fiona! Meine Tochter! Es tut mir Leid!«
    Aber Fiona stand bereits an den Stufen zu ihrer Kutsche, und ihr Schluchzen übertönte alle Geräusche außer dem Pochen ihres gequälten Herzens. Der Zeitpunkt der Versöhnung war da gewesen und ungenutzt verstrichen. Die Kluft zwischen ihnen blieb.

44
    In der frühen Morgensonne stand Patrick am Hafen von Suakin und sah zu, wie der Truppentransporter auf das Rote Meer hinausfuhr. Auf dem Deck spielte eine australische Kapelle »Home Sweet Home«. Er war gekommen, um das Dampfschiff mit dem Kontingent aus Neusüdwales auslaufen zu sehen, weil er sich den Männern an Bord verbunden fühlte. Der ferne, uralte, sonnenüberflutete Kontinent Australien war auch seine Heimat.
    Wo die Sonnenstrahlen die sich sanft kräuselnde, ruhige See berührten, zauberten sie silberne Reflexe auf die blauen Fluten. Das rief Erinnerungen an seine Kindheit im fernen Sydney in ihm wach. Damals hatten sein Onkel Daniel und seine Tante Colleen mit ihm und seinen Cousins Ausflüge unternommen, auf denen sie den unvergleichlich schönen Hafen von Sydney, der von hohen, majestätischen Eukalyptusbäumen gesäumt wurde, von der Fähre aus kennen lernten.
    Wenn er in Irland die Antwort auf die quälenden Fragen gefunden hatte, die er Catherine stellen wollte, würde auch er nach Sydney reisen und an der Seite seiner Großmutter seinen Platz im Firmenimperium der Familie einnehmen. Er blickte dem grauschwarzen Rauch der Schornsteine nach, bis das Schiff außer Sicht war. Dann ging er langsam davon, um sich der Brigade anzuschließen, die sich auf die Abreise aus dem Sudan vorbereitete.
    Obwohl die Derwische nicht besiegt waren, fand man, dass der Tod von General Gordon in Khartum hinreichend gerächt war. Die britische Öffentlichkeit war durch den engagierten Einsatz des befehlshabenden Generals, Lord Wolseley, versöhnt, der den ungläubigen Moslems schwere Verluste zugefügt und ihnen gezeigt hatte, was es hieß, sich mit den mächtigen Briten anzulegen.
    Das Kriegsministerium in London hatte Patricks Abschied bewilligt. Allerdings sollte er, bevor dieser wirksam wurde, zunächst in Kairo drei Monate lang Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Patrick hatte anfänglich aufbegehrt, sich dann jedoch damit abgefunden, dass er als Offizier Königin und Vaterland verpflichtet war.
    Bevor er die Gestade Afrikas verließ, hatte er noch eine weitere wichtige Aufgabe zu erledigen. In Kürze würden die Boxmeisterschaften der Brigade stattfinden, und Private Angus MacDonald hatte es offenkundig auf Patricks Titel im Schwergewicht abgesehen. Auch wenn sie im Krieg Freunde geworden waren, hatte das nichts damit zu tun, wie sie in der staubigen Arena vor den Augen ihrer Kameraden gegeneinander angehen würden. Da würde keiner von beiden Gnade kennen oder vom anderen erwarten. Ihm stand ein harter Schlagabtausch bevor, und er musste umgehend das Training wieder aufnehmen. Aus dem langsamen Schlendern wurden große Schritte. Warum sollte er Zeit verschwenden?
     
    Auf dem Deck des auslaufenden Truppenschiffs blickte Private Francis Farrell zum Kai. Unter den Soldaten, die die Australier verabschiedeten, fiel ihm ein großer, breitschultriger britischer Offizier auf.
    Obwohl er die Gesichtszüge des abseits von den anderen stehenden Mannes, der ihnen nachsah, nicht erkennen konnte, spürte er, dass es Patrick war. »Patrick, ich habe versagt«, murmelte er kopfschüttelnd. »Irgendetwas hat mich daran gehindert, dir von deinem Vater zu erzählen.«
    Hinter den Trauben winziger Gestalten am Kai erhoben sich die weißen Steinhäuser von Suakin, und jenseits der Stadt ragte das zerklüftete Küstengebirge des Sudan auf. Aus unerklärlichen Gründen erinnerte sich Francis an einen Fiebertraum von einem flammenden Berg. Doch als das Schiff den Hafen und damit die Berge, Wüsten und weißen Städte des Sudan hinter sich ließ, war der Gedanke

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