Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
war nicht nur darauf zurückzuführen, dass hier die Brigademeisterschaft im Schwergewicht entschieden werden sollte: In Suakin ging das Gerücht um, dass die Armee die Wüste verlassen und in den gemäßigteren englischen Sommer zurückkehren würde.
    Die Veranstaltung unter den aufgehenden Gestirnen der afrikanischen Wüste kam den Männern, die sich nach den milden englischen Sommerabenden ihrer Heimat sehnten, gerade recht. Der Kampf lenkte sie von der angespannten Erwartung ab, mit der sie auf den offiziellen Befehl hofften, ihre Sachen zu packen und an Bord der im Hafen liegenden Truppentransporter zu gehen.
    Die Unterstützung der Zuschauer verteilte sich ziemlich gleichmäßig auf beide Kämpfer. Die eine Hälfte sympathisierte mit Private Angus MacDonald, weil er einer von ihnen war, ein einfacher Soldat. Die andere Hälfte unterstützte seinen Gegner, Captain Patrick Duffy, weil er sich für einen Sport entschieden hatte, der eigentlich der Arbeiterklasse vorbehalten war, und damit gesellschaftliche Schranken überwand.
    Der Schiedsrichter murmelte ein paar Grundregeln, und die beiden Gegner, die ihren Kampf mit bloßen Fäusten austragen wollten, nickten zum Zeichen, dass sie verstanden hatten.
    Das war das Signal für die umstehenden Soldaten: Nun würde die Entscheidung darüber fallen, wer den Sudan als Meister verließ. Die meisten setzten auf den riesigen Schotten, der in ausgezeichneter körperlicher Verfassung war. Seine Anhänger empfanden zwar ein gewisses Mitgefühl mit seinem Gegner, der sich, so hieß es, kaum von den Strapazen erholt habe, die er jenseits des Küstengebirges erlebt hatte. Doch Mitgefühl hin oder her, bei den Wetten, die heimlich im Publikum geschlossen wurde, hörte der Spaß auf. Hier ging es nicht nur um den Boxkampf, sondern auch um Geld.
    Während Patrick den Worten des Schiedsrichters lauschte, blickte er seinen früheren Burschen prüfend an. In den dunklen Augen, die das Licht der Laternen reflektierten, sah er keinerlei Feindschaft.
    Als sie die Handknöchel leicht gegeneinander stießen, um anzuzeigen, dass sie zum Kampf bereit waren, grinste Angus ihn freundlich an. Patrick erwiderte das Lächeln. »Passen Sie auf meinen linken Haken auf, Mac«, knurrte er gutmütig, »damit wird nämlich der Kampf entschieden.«
    Angus spuckte auf den staubigen Boden und antwortete mit einer freundschaftlichen Stichelei. »Sie haben zu viel Paddy-Blut, Sir, da wird man dumm von.«
    Dann begann der Kampf mit einem kräftigen Hieb des muskulösen Schotten, der Patrick am Ohr traf und von MacDonalds Anhängern mit brüllendem Beifall quittiert wurde.
    Zu Beginn der neunten Runde waren beide Männer ziemlich mitgenommen und bluteten, tauschten jedoch unter dem ohrenbetäubenden Beifall der Menge Schlag um Schlag aus. Die Knöchel ihrer Hände waren geschwollen, und der Schweiß lief ihnen über Gesicht und Körper, während sie unter den schweren Treffern vor Schmerz aufstöhnten. In Patricks Ohren dröhnte es, als schlügen die Glocken von Big Ben. Die atemberaubende Geschwindigkeit, die seine Hiebe anfänglich besessen hatten, ließ nach, aber das ging dem Schotten nicht anders. Beide Männer schonten ihre Kräfte, bis sie eine Lücke in der Deckung des anderen fanden. Der mörderische Kampf konnte nur ein Ende haben, wenn einer der beiden die Kraft aufbrachte, seinen geschwächten Gegner mit einem Hagel von Treffern zu Fall zu bringen.
    Gegen Ende der neunten Runde fiel Patrick der glasige Blick des Schotten auf. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass mit seinem Kameraden etwas nicht stimmte. Die Hiebe hatten ihn am Kopf verletzt. In dieser Situation konnte ein K.o.-Schlag für den hünenhaften Schotten tödlich sein. Die Menge fühlte, dass das Ende bevorstand, und grölte wie einst der Mob von Rom, der den Verlierer mit gesenktem Daumen zum Tode verurteilt hatte.
    Angus schwankte unsicher, und Patrick umklammerte seinen Freund mit aller Macht. »Jetzt, Angus«, zischte er ihm ins Ohr. »Nehmen Sie sich meinen Kopf vor.«
    Der Schotte drehte den Kopf und starrte ihn für einen Augenblick verwirrt an. »Das kann ich nicht, Sir«, keuchte er. Patrick stieß ihn von sich. »Mach schon, du blöder Schotte«, fauchte er, während er die Hände sinken ließ.
    In einer letzten Anstrengung sammelte Angus seine ungeheuren Kräfte und begann, stöhnend auf Patrick einzudreschen. Dieser geriet unter dem Hagel der Faustschläge ins Wanken und fühlte, wie seine Beine unter ihm nachgaben.

Weitere Kostenlose Bücher