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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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gesehen hatte. Seine Großmutter, Lady Enid Macintosh, hatte ihn ihm beschrieben. Eine Stätte, die einem alten Volk heilig war, dessen Angehörige vor über zwei Jahrzehnten auf Glen View, dem Besitz der Macintoshs, abgeschlachtet worden waren. Irgendwie sah er den trockenen, zerklüften Berg vor sich, als wäre er selbst dort gewesen. In seinen Träumen verwandelte er sich in die tannenbestandene Anhöhe der Kelten. Die Kultstätten zweier Völker, deren heidnischer Glauben im Denken der Moderne keinen Platz hatte.
     
    Als er erwachte, erinnerte sich Patrick ebenso lebhaft an den Traum wie an die Augenblicke mit Catherine unter dem abnehmenden Mond. Maureen, die Wirtstochter, klopfte an seine Tür, und im Gasthaus herrschte morgendliche Geschäftigkeit.
    Immer noch vollständig angekleidet, kroch er unter den warmen Decken hervor. Unterdessen war Maureen hereingekommen, ohne zu fragen, ob es ihm passte oder nicht. Sie stellte die Schüssel mit heißem Wasser auf die schmale Anrichte. Patrick dankte ihr, aber sie ging nur widerwillig, als er aufstand, um die Galauniform gegen eine etwas bequemere Reisekleidung auszutauschen.
    Nach einem kräftigen Frühstück mit Eiern und Speck stattete Patrick Vater Eamon O’Brien und Mary Casey einen letzten Besuch ab. Sie wechselten ein paar Worte und äußerten ihr Bedauern, dass sie nicht mehr Zeit gehabt hatten, sich über ihre gemeinsamen Interessen auszutauschen.
    Mary Casey hauchte einen verschämten kuss auf seine Wange und schloss ihn liebevoll in die Arme, wobei sie Gott um Schutz für den bevorstehenden Kreuzzug zur Bekämpfung der ungläubigen Mohammedaner und zur Rettung von General Gordon bat. Dass sich Patrick am gemeinsamen Kampf der Christen gegen die bösen Heiden beteiligte, ließ sie sogar seinen in ihren Augen abstrusen protestantischen Glauben vergessen.

9
    Im Morgengrauen wurde Ben vom melodischen Trillern der Elstern geweckt. Während er schlief, hatte er die Kälte des frühen Morgens nicht gespürt, aber als er sich jetzt streckte und im Staub aufsetzte, fröstelte ihn. Schlotternd rieb er sich die Arme.
    Langsam kam er auf die Beine und blickte über den Hof zur Hütte. Dort stand seine kleine Tochter Becky und sah zu ihm herüber, wobei sie die Hand zum Schutz gegen das grelle orangefarbene Licht der aufgehenden Sonne über ihre Augen hielt.
    »Daddy?«, rief sie, als ihr Vater auf sie zukam. »Ich habe dir Frühstück gemacht.«
    Wie sie ihrer Mutter gleicht, dachte er, von einer Welle väterlicher Liebe erfasst. Solange sie lebte, würde Jenny immer bei ihm sein.
    »Ich habe in der Nacht mit eurer Mutter gesprochen«, sagte Ben, während er sich zu den Kindern an den Tisch setzte, auf dem eine kleine Pfanne mit Brot und Schmalz stand. »Ich glaube, sie hätte gewollt, dass Willie euch nach Townsville zu Tante Judith und Onkel Solomon bringt und dann auf die Farm zurückkommt.«
    Die kleineren Jungen wechselten entsetzte Blicke. Für sie war es unvorstellbar, dass sie in einer solchen Zeit ihr Zuhause verlassen sollten. Hier wurden sie gebraucht und nicht in einer Stadt, wo es kein freies Land, sondern nur Straßen und Häuser gab! Aber sie hüteten sich, laut zu protestieren, obwohl sich ihre Gesichter verdüsterten. Becky stand mit zitternder Unterlippe neben Ben. Jetzt verlor sie auch noch ihren Vater!
    Ben sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, zog sie an sich und setzte sie auf seinen Schoss. Er schlang die Arme um sie und konnte den erdigen, süßen Duft ihrer dicken Haarflechten riechen. Das Herz tat ihm weh, denn die Entscheidung, die Kinder wegzuschicken, war ihm nicht leicht gefallen. Doch es stand mehr auf dem Spiel als Jerusalem. »Es ist ja nicht für immer«, sagte er sanft. »Nur für ein paar Jahre, bis sich die Dinge hier geändert haben.«
    »Welche Dinge?«, piepste Saul verwirrt. »Was soll sich denn ändern? Mami ist tot, und wir sind alt genug, um das zu verstehen, Dad. Du brauchst Jonathan und mich für die Arbeit auf der Farm. Schick doch Becky … aber nicht uns!«
    »Ich sagte, nur für ein paar Jahre«, knurrte Ben seinen Sohn an, der schon immer der Mutigere seiner beiden Jungen gewesen war. »Ein paar Jahre, in denen ihr eine anständige Erziehung bekommt und euch entscheiden könnt, was ihr tun wollt: in Townsville bleiben oder zurückkommen und Willie und mir auf der Farm helfen.«
    »Aber dafür müssen wir doch nicht zur Schule zu gehen«, fuhr Saul unbeeindruckt fort. »Ich und Jonathan kennen die Arbeit

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