Auf den Flügeln des Adlers
umspannten Holzrädern stieg eine tiefe Wolke feiner, roter Staub auf, die wie eine Fahne hinter ihnen herzog.
Ben, dessen Augen von seinem breitkrempigen Hut beschattet wurden, stand bei den Koppeln und blickte dem im Busch verschwindenden Wagen traurig nach. Er sah die grimmigen Gesichter der Jungen, die sich nach ihm umgewandt hatten, und beobachtete, wie Becky ihm mit ihrer Puppe winkte. In diesem Augenblick hatte er das Gefühl, sein Herz würde brechen. Der Schmerz war geradezu körperlich, und obwohl er gedacht hatte, er hätte längst alle Tränen geweint, konnte er sie nur mit Mühe zurückhalten.
Als die Kinder außer Sicht waren, wandte er sich ab und ging zum Grab seiner Frau. Dort stand er mit gebeugtem Haupt und sprach mit ihr. Er erklärte ihr, dass die Kinder eines Tages zurückkehren würden – als die Menschen, die sie ihrem Wunsch zufolge werden sollten. Die Stille des weiten Buschlands dröhnte in seinen Ohren, während er auf das Rumpeln des Wagens oder das Knallen der Peitsche lauschte. Aber er hörte nichts außer dem Gezwitscher der winzigen Buschvögel, die auf der Suche nach Insekten in den Sträuchern umherflitzten. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war er wirklich allein.
Nein, nicht allein! Eines Tages würde die Freude in sein Leben zurückkehren, und er würde Jenny in der jungen Frau wiederfinden, zu der seine Tochter heranwachsen würde.
Eine Stunde lang stand Ben an Jennys Grab, ohne die vielen dunklen Augen zu bemerken, die ihn aus der Deckung des Buschwerks beobachteten. Die Krieger, die sich in den Schatten der Zweige verborgen hielten und auch die Abfahrt des Wagens beobachtet hatten, hatten ihre Speere an Woomera-Stäben befestigt, damit sie weiter flogen.
Doch keine ihrer Waffen bohrte sich in das Fleisch des Weißen, denn Terituba hatte den Mann erkannt, der ohne Angst zu ihnen gekommen war und ihnen Mehl statt Tod gebracht hatte. Terituba gab seinen Kriegern ein Zeichen, weiterzuziehen und den weißen Mann in Frieden trauern zu lassen. Er respektierte diesen Menschen, und sein Tod wäre sinnlos gewesen. Es gab andere Weiße, die sie jagen konnten, bis sie entweder tot waren oder das Land der Kalkadoon verlassen hatten.
Wie lautlose Schatten glitten die Kalkadoon-Krieger tiefer in den Busch hinein, um auf die Jagd zu gehen. Danach würden sie zu ihrem Clan zurückkehren, der sein Lager an einem Wasserloch nördlich von Jerusalem aufgeschlagen hatte. Bald jedoch würden sie sich den anderen Kalkadoon-Clans in den Basalthügeln anschließen, um zu besprechen, wie sie die Eindringlinge vertreiben konnten.
Willie hatte sich nicht nach der Rindenhütte umgesehen. Er wollte den Ort, an dem seine Mutter begraben lag, nicht mehr vor Augen haben, weil er sie als lebendes Wesen und nicht als Teil der Erde in Erinnerung behalten wollte. Er würde nie nach Jerusalem zurückkehren. Er war nicht Teil dieses Landes, das Ben gehörte und das, wie er immer gewusst hatte, eines Tages an Jonathan oder Saul gehen musste. Nachdem er Bens Kinder in Townsville abgeliefert hatte, würde er sich nach Süden durchschlagen, an den Ort seiner Geburt – nach Sydney. Dort würde er den Schwur erfüllen, den er nach dem Tod seiner Mutter abgelegt hatte. Er würde seinen leiblichen Vater töten.
10
Gordon James’ dunkle Augen und sein pechschwarzes Haar stachen dem Beobachter zuerst ins Auge. Obwohl er nicht außergewöhnlich hoch gewachsen war, wirkte er durch sein gebieterisches Auftreten groß. Sein sorgfältig rasiertes Gesicht zeigte eine goldbraune Tönung, die er den langen Stunden im Sattel verdankte, wenn er Patrouillen der berittenen Eingeborenenpolizei gegen die letzten Aborigine-Stämme führte, die den weißen Siedlern noch Widerstand leisteten.
In seiner Uniformjacke und mit der in kniehohen Stiefeln steckenden Reithose bot er ein eindrucksvolles Bild, als er, mit dem Rücken an die grob zusammengezimmerte Bar des Cloncurry-Hotels gelehnt, seine Zuhörer musterte: Siedler und ihre Viehhirten, Fuhrleute, Kleinbauern, Goldsucher und ein paar Kaufleute, die mit den Buschläufern zusammenarbeiteten. Es waren harte, kompromisslose Männer, die die unverwüstliche Arbeitskleidung ihres Gewerbes trugen: Moleskinhosen, bunte Hemden, breitkrempige Hüte und kniehohe Stiefel. An ihren Hüften hingen Handfeuerwaffen, und auf dem Schoß hielten sie Gewehre. Während draußen die Hunde des Gasthauses zähnefletschend und nacheinander schnappend ihre Revierkämpfe ausfochten, bedachten die
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