Auf den Flügeln des Adlers
immer ein Platz für dich ist.«
Michael lächelte den Freund, der sich hinter seinem Schreibtisch vorbeugte, traurig an. »Danke. Aber bevor ich anfange, Pläne zu schmieden, muss ich abwarten, was in den nächsten Wochen geschieht.«
Seiner Antwort entnahm John, dass Michaels Tätigkeit für Horace Brown noch nicht zu Ende war. Er ahnte, warum Michael ihn aufgesucht hatte. »Ich habe hier eine Menge Verantwortung, Michael«, sagte er, bevor der andere das Thema ansprechen konnte. »Was auch immer es ist, ich kann dir nicht helfen.«
»Ah, du kennst mich zu gut«, erwiderte Michael seufzend. »Natürlich wollte ich dich um deine Hilfe bitten, aber das weißt du ja offensichtlich schon.«
Johns Gesicht verdüsterte sich. Der gesunde Menschenverstand sagte ihm, dass es besser war, jede geschäftliche Beziehung zu dem Iren zu vermeiden, aber er fühlte sich ihm verpflichtet. Er verdankte seinem Freund viel: seinen gegenwärtigen Wohlstand und seine schöne Frau, eine Cochinchinesin, die ihm zwei gesunde Söhne und eine Tochter geboren hatte.
»Und wie soll diese Hilfe aussehen?«, fragte er mit schwacher Stimme. Das auf ihn gerichtete Auge schien das Innerste seiner Seele zu erforschen und nach den Wurzeln wahrer Freundschaft zu suchen.
»Es ist nichts besonders Riskantes«, erwiderte Michael, während er die Schale mit beiden Händen zum Mund führte. »Nur eine Reise nach Sydney zur Erweiterung deiner Geschäfte. Das ist alles.«
Das klang einfach, aber John wusste sehr gut, dass im Leben seines Freundes alles mit Gefahr verbunden war. »Bis auf den ganzen Schlamassel, der sonst noch dranhängt«, knurrte er wütend, weil er sich vermutlich breitschlagen ließ, dem Söldner zu helfen.
Oder vermisste er etwa das wilde Leben voller Gefahren und wollte es sich nur nicht eingestehen? Er hatte eine Familie und ein florierendes Geschäft. Seine Frau würde das nie verstehen, auch wenn sie jede seiner Entscheidungen als pflichtbewusste Gattin gehorsam akzeptierte, wie es Konfuzius gebot. Aber seine Kinder hatten ihren eigenen Willen, schließlich floss in ihren Adern europäisches Blut. Außerdem trieben sie sich ständig mit den aufsässigen Kindern anderer Europäer herum. Ihnen würde es mit Sicherheit nicht gefallen, wenn er wegging.
Nicht nur, dass seine Familie jetzt sein Lebensmittelpunkt i war; John war darüber hinaus ein angesehener Geschäftsmann, der einen festen Platz in der Gesellschaft von Townsville einnahm. Er war Mitglied im örtlichen Pferderennklub und besaß selbst einen Rennstall. Sein Gespür bei der Auswahl siegreicher Vollblüter wurde allgemein bewundert. Außerdem fungierte er für die Europäer, die Geschäfte mit der chinesischen Gemeinde tätigten, als Verbindungsmann und half ihnen, lukrative Verbindungen im Fernen Osten aufzubauen. Die chinesische Gemeinde von Townsville respektierte den hoch gewachsenen Mann wegen seiner Kenntnisse ihrer Gebräuche und Sitten. Daher starrte er Michael schweigend an, während er abwog, ob er sich auf die Mission einlassen sollte, die ihn das Leben kosten konnte.
»Horace meint, die Deutschen wollen Neuguinea annektieren«, sagte Michael ruhig. »Das ist unser letzter Auftrag, ich verspreche es dir.«
»Aber warum Sydney? Du könntest da unten am Galgen enden.«
»Ich habe keine Wahl. Von Fellmann ist dort.«
John war dem Baron nie persönlich begegnet, aber Michael hatte ihm viel über ihn erzählt, und was er wusste, verhieß nichts Gutes. Der Preuße war ein rücksichtsloser Mensch. »Das heißt, wenn dich die Greifer nicht erwischen, erledigt dich von Fellmann«, meinte er sarkastisch. »Oder jemand anders von seiner Sorte.«
»Kann schon sein«, sinnierte Michael, »aber niemand lebt ewig. Nur die Erinnerung an uns besteht fort – in unseren Kindern und Kindeskindern.« In dem Schweigen, das das winzige Büro erfüllte, hallten seine Worte nach. Er hatte sie nicht zum ersten Mal gesagt, aber plötzlich fühlte er sich unbehaglich. Würde sein eigener Sohn sich je an ihn erinnern?
»Zum Teufel mit dir, Duffy, alter Mistkerl!«, fluchte John. »Du weißt, dass ich hinter dir stehe. Also, wann geht’s los?«
Michael grinste seinen alten Partner an. »Sobald du deiner Frau eine Lügengeschichte über die Gründe für deine Reise nach Sydney aufgetischt hast. Deine Fahrkarte habe ich schon gekauft.«
Nachdem Michael bei seiner Schwester eingetroffen war, zeigte sich seine Nichte Sarah hochzufrieden mit dem versprochenen Geschenk. Mit offenem
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