Auf den Flügeln des Adlers
als ihm der Gestank in die Nase stieg.
Die glühende Sonne hatte die verrottenden Kadaver von Mensch und Tier, die seit fast zwei Wochen in der Wüste lagen, geradezu gekocht. Geier, die sich an dem faulenden Fleisch von Briten, Derwischen und Packkamelen voll gefressen hatten, hüpften schwerfällig davon und erhoben sich in den azurblauen Himmel, wo sie ihre Kreise zogen.
Einige der Vögel ignorierten die Soldaten, die am Schauplatz der verzweifelten Kämpfe erschienen, und rissen weiterhin Fleisch und Eingeweide aus den Körpern. Die Leichen waren schwarz verfärbt, aber nicht aufgetrieben, da die grausamen Schnäbel Löcher geschlagen hatten, aus denen die blähenden Gase entweichen konnten.
Patrick, der neben dem Kolonialoffizier stand, empfand keinerlei Befriedigung angesichts des offenkundigen Unbehagens, das diesem Anblick und Gestank des Schlachtfelds bereiteten. Ihm fiel es selbst schwer, den Tee bei sich zu behalten, den er vor Stunden zu sich genommen hatte. Benommene Soldaten wanderten zwischen den Toten umher, deren hastig begrabene Körper von Tieren und dem wandernden Sand freigelegt worden waren. Andere hielten sich abseits und würgten Büchsenfleisch und Brot hinunter, die sie zum Frühstück erhalten hatten.
Angus MacDonald war froh, dass die Körper der britischen Soldaten nicht mehr zu erkennen waren. Dafür hatten die Verwüstungen gesorgt, die Zersetzung und Aas fressende Tiere angerichtet hatten. Auf keinen Fall wollte er einen Freund, mit dem er gelacht, getrunken und herumgehurt hatte, in diesem Zustand wiedersehen.
Ein Mann jedoch reagierte nicht wie die meisten seiner Kameraden auf den grauenhaften Anblick. Als Polizist in den ärmsten Vierteln Sydneys hatte er viele Jahre lang den Tod in seinen schrecklichsten Formen gesehen. Im Laufe der Zeit hatte er eine Art Schutzschild entwickelt, der ihn gegenüber dem Ende des menschlichen Lebens immun gemacht hatte.
Während er das fettige Fleisch aus der Büchse löffelte, ließ Private Francis Farrell den großen, breitschultrigen jungen britischen Offizier bei Captain Thorncroft nicht aus den Augen. Patrick hatte sich mittlerweile von Thorncroft gelöst und starrte allein über das Schlachtfeld in Richtung der fernen Ruinen des Dorfes Tamai, das die Briten ein Jahr zuvor nach einer großen Schlacht gegen die Derwische dem Erdboden gleichgemacht hatten. In der Nähe des zerstörten ägyptischen Dorfes sollte die vorrückende Streitmacht auf die Männer des Mahdi treffen und eine weitere große Schlacht schlagen.
Der frühere Polizist aus Sydney wischte sich das von seinem Löffel triefende Fett aus dem sauber gestutzten Schnurrbart. Jetzt, wo er ihn im hellen Morgenlicht sah, wusste er, an wen ihn der Mann erinnerte.
Mit einem Stück Brot und einem Becher Wasser in der Hand ging Private Angus MacDonald auf den Captain zu. »Hey, Jock!«, rief Farrell leise, als er an ihm vorüberkam.
Angus wandte sich um und starrte den Mann an, der fast so groß war wie er selbst. Der irische Akzent war unverkennbar. »Was gibt’s, Paddy?«
»Dein Chef da, wie heißt der?«
»Und warum willst du das wissen, Mann?«
»Weil ich eine höfliche Frage stelle, Junge. Und weil meine verehrten Vorfahren bei Culloden für Bonnie Prince Charlie gekämpft haben. Ist das Grund genug für einen Haggis mampfenden Schotten?«
Als ihn der andere mit »Jock«, dem Spitznamen der Schotten, angeredet hatte, hatte Angus erst wütend werden wollen, aber nun musste er lächeln. Seine Vorfahren hatten in jener entsetzlichen Schlacht ebenfalls auf der Seite der Jakobiner gegen die britischen Rotröcke und ihre Hilfstruppen aus dem schottischen Tiefland gekämpft. »Gott segne deine ehrenwerte Großmutter für die Dienste, die sie unseren braven Jungs bei Culloden erwiesen hat, Paddy«, erwiderte er mit anzüglichem Grinsen.
Aber Francis Farrell ließ sich von keinem großen Schotten mit behaarten Beinen übertrumpfen. »Meine ehrenwerte Großmutter«, erwiderte er mit einem Funkeln in den Augen, »hat mich immer auf den Knien gewiegt und gesagt: ›Francis, mein Junge, die Hochländer haben bei Culloden nur gegen die verdammten Briten verloren, weil sie keine Kraft mehr hatten, als ich mit ihnen fertig war.‹«
Angus kicherte. »Captain Duffy heißt dein Mann, Paddy«, gab er grinsend zurück. »Hab gehört, er ist in Sydney geboren.«
Patrick Duffy! Keine Wunder, dass ihm die Ähnlichkeit aufgefallen war. Wie oft hatte er mit dem großen Deutschen Max Braun in
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