Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
Vom Netzwerk:
der sudanesischen Wüste.
    Neben ihm ging der große Schotte und summte sentimentale Balladen aus seiner Heimat vor sich hin. Bis auf das Klirren von Metall an der Ausrüstung der Soldaten und das gelegentliche protestierende Wiehern eines Armee-Maultiers war auf dem schweigenden Marsch nach Süden nicht viel zu hören. Sie wateten gleichsam durch den Sand, wobei ihre Stiefel ein unheimliches Geräusch erzeugten.
    Da er keine Truppen kommandierte, bot sich Patrick wenigstens die Gelegenheit, an etwas anderes zu denken als an Männer, deren Wohlergehen von seinen Entscheidungen abhing. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu dem Traum zurück, der ihn vor wenigen Stunden heimgesucht hatte. Warum hatte Catherine auf keinen seiner zahlreichen Briefe geantwortet? War Brett Norris’ Aufmerksamkeit mehr nach ihrem Geschmack? Er seufzte. Fast neun Monate und nicht ein einziges Wort von ihr. Nichts! Instinktiv klopfte er auf den Munitionsbeutel, der an dem Gürtel an seiner Taille hing und Sheela-na-gig beherbergte. Sie hatte ihn geschützt, wie Catherine es versprochen hatte.
    Die kleine Steingöttin lag unter der Reservemunition für seinen Revolver unten im Beutel. Er lächelte, als er sich vorstellte, was geschehen würde, falls er im Kampf fiel und ein Soldat seine Taschen durchsuchte. Was würde dieser denken, wenn er unter den Besitztümern eines Offiziers das bizarre Götterbild fand?
    In der Ferne heulte ein wildes Tier. Stammte das durchdringende Jaulen von einem Schakal? Einer Hyäne? Patrick hatte keine Ahnung, aber der einsame Schrei ließ Private MacDonald für einen Augenblick innehalten, bevor er weitersummte.
    Wenn er noch drei Monate nichts von Catherine hörte, wäre Patrick ein volles Jahr lang ohne Nachricht von ihr. Seine einsamen, bitteren Gedanken waren dieselben, die seit lausenden von Jahren Soldaten plagten. Daran würde sich auch nichts ändern, solange Männer in den Kampf zogen und andere Männer zu Hause bei den Frauen blieben. Das war das Grausame an den weiblichen Bedürfnissen. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitoffiziere glaubte er nicht, dass Frauen keine fleischliche Lust empfanden. Seine Meinung basierte auf seinen persönlichen Erfahrungen in den Armen einer hübschen jungen Näherin, die er während seiner kurzen Studentenzeit in Oxford kennen gelernt hatte. Sie hatte ihn verführt, und die hemmungslose Lust, die sie in seinen Armen erlebte, hatte alles widerlegt, was er je darüber gehört hatte, dass Frauen beim sexuellen Akt angeblich kein Vergnügen empfanden. Großer Gott, wie schön waren diese Augenblicke in ihrem winzigen, feuchten Zimmer über der Werkstatt ihres Vaters gewesen! Sechzehn war Cristobel gewesen. Sie hatte ihn und das Leben leidenschaftlich geliebt und war doch früh an einem Blinddarmdurchbruch gestorben, als er bei seinem Regiment in Schottland weilte.
    Am frühen Morgenhimmel zog ein Meteorit einen Schweif winziger Fragmente hinter sich her. Die Erscheinung wurde von den Männern mit bewunderndem Gemurmel quittiert. »In Tel-el-Kibir gab es einen Kometen«, sagte Patrick leise, und Private MacDonald hörte auf zu summen. »Damals hielten wir das für ein schlechtes Omen. Wahrscheinlich war es das auch für die armen Teufel, die an jenem Tag ums Leben kamen.«
    »Ja, Sir, das war es wohl«, erwiderte Private MacDonald pflichtgemäß.
    »Haben Sie Familie, Private MacDonald?«
    Der große Schotte senkte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht, Sir. Vor zwei Jahren hat mich ein hübsches Mädel am Hafen verabschiedet. Sie hat mir versprochen, auf mich zu warten, aber seitdem habe ich kein Wort von ihr gehört.«
    »Dann geht es Ihnen genau wie mir, Angus«, erwiderte Patrick, dem es ganz natürlich vorkam, den Soldaten mit dem Vornamen anzusprechen. Es war einer der seltenen Momente, in denen trotz der strengen Disziplin der Armee die militärischen Schranken zwischen Vorgesetztem und Untergebenem ihre Bedeutung verloren. Im Augenblick waren sie nur zwei junge Männer, die weit entfernt von zu Hause durch die Dunkelheit der frühen Morgenstunden marschierten.
    »Wartet denn auf Sie ein Mädchen, Captain Duffy?«, fragte der Schotte, der spürte, dass sein Offizier reden wollte, mitfühlend.
    »Das dachte ich zumindest.« Patrick seufzte betrübt.
    Dann versanken beide Männer erneut in Schweigen, während sich die Hauptmacht der britischen Armee dem Ort ihrer letzten blutigen Schlacht gegen die Derwische näherte.
     
    »Gütiger Gott!«, keuchte Captain Thorncroft,

Weitere Kostenlose Bücher