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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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übernommen hatten. Meistens lagen sie herum, ermüdet vom Räderwerk der Schule und den Reden ihrer Eltern, frustriert vom Leben, das sie führten, und euphorisiert von der Zeit, die sie erwartete. Regnete es und waren sie in der Stimmung oder einfach nur betrunken, zogen sie sich bis auf die Unterhose aus und rannten auf das Feld, warfen sich in den Schlamm und verschwanden darin, wurden unsichtbar.
     
    Mick erklärte den anderen, sie seien eine Band, die in Pubs spiele und später in Clubs und auf Festivals, um irgendwann Konzerthallen und Stadien zu füllen. Er sagte, die Anfänge würden hart, versprach ihnen aber gleichzeitig Freibier und Mädchen aus so exotischen Ländern wie Frankreich und Deutschland. Sie hatten den Ruf, nicht sehr gut, dafür laut zu sein, doch weil sie kaum Gage verlangten und nur wenig Alkohol vertrugen, ergatterten sie dennoch hin und wieder einen Gig in einem Pub, einer Turnhalle oder auf der Freilichtbühne eines Dorffestes. IhrRepertoire umfasste zehn Songs: vier Eigenkompositionen und sechs Coverversionen. Bei ihrem ersten Auftritt wurden sie nach der Eröffnungsnummer, einer rasend schnellen Fassung von »Blowin’ in the Wind«, ausgebuht und beschlossen kurzfristig, die punklastigen Titel nach hinten zu schieben und zuerst ihre ruhigeren Lieder zu bringen, darauf hoffend, die Leute würden nach den ersten Takten von »Walking on Hills« freundlicher gestimmt und spätestens bei der Ballade »Lake of Solitude« erkennen, dass sie Zeugen eines Aktes von Genialität waren. Aber das Publikum in Murphy’s Tavern sah nicht ein, warum es sich die Freitagabendlaune von vier Rotzlöffeln verderben lassen sollte, die auf vierfarbigen Plakaten behaupteten, sie seien eine Band, nur weil sie sich in zerrissenen Hosen und Holzfällerhemden auf eine Bühne trauten, statt noch ein paar Jahre in ihrem Proberaum zu bleiben. Die Leute pfiffen, bis die Bühne geräumt war. Sie hatten die ganze Woche gearbeitet, wollten ein paar Biere trinken und Musik hören, und sie waren nicht so großzügig und nachsichtig wie Ron Fogarty, der Geschäftsführer des Pubs, der als ehemaliger Schlagzeuger einer nur innerhalb der Countygrenzen bekannten Rockband wusste, wie schwer es war, an den ersten Auftritt zu kommen. Fogarty hatte sich die Jungs angehört und nach zwei Songs gewusst, dass sie noch nicht so weit waren. Aber die vier hatten ihn bekniet und ihre Gagenforderung noch weiter gedrückt, und außerdem war Fogarty ein Freund von Niamh Spillane und Stammkunde der Metzgerei. Irgendwann hatte er unter der Bedingung eingewilligt, dass die Band nicht die eigenen Verstärker benutzte, sondern die des Pubs, die gut klangen, statt nur die Scheiben erzittern zu lassen.
    Nach diesem Erlebnis wollte Barry die Band verlassen. Er hatte seinen Eltern eine Woche vor dem Konzert gebeichtet, nicht nur irische Volksmusik zu spielen, sondern auch etwas, das sich Rock, Punk und Grunge nannte. Die beiden waren überrascht gewesen, wie lange ihr Sohn sie hatte täuschen können, aber auch froh, ihn glücklich und von fiebrigem Stolz erfüllt zu sehen. Es erleichterte sie, dass Barry Freunde gefunden hatte, mit denen er musizierte, auch wenn ihnen Ausdrücke wie Punk oder Grunge nichts sagten und der Bandname sie zutiefst verwirrte. Barry erzählte ihnen von dem Konzert in Murphy’s Tavern und bat sie, nicht zu kommen, weil es sein erster Auftritt und er schon nervös genugsei, aber sie kamen trotzdem und wurden Zeugen seiner Demütigung, die sie mit einsamem Applaus zu übertönen versuchten. Am nächsten Tag traf sich die Band bei Jason, und Barry behauptete, das Publikum habe nur ihn angestarrt, weil er so groß und noch immer fett sei. Tobey verteidigte ihn und nahm die Schuld auf sich, legte plausibel dar, dass der Grund für ihr Scheitern seine neue, noch unvertraute E-Gitarre gewesen sei, eine zwanzig Jahre alte bernsteingelbe Fender , die Mick für wenig Geld einem Onkel aus dem Kreuz geleiert hatte. Aber Barry blieb bei seiner Version, meinte, ohne ihn sei die Band besser dran, und ging nach Hause, um sich hinter die Ladentheke zu stellen.
     
    Es war ausgerechnet Mick, der Barry überredete, die Agents of Anger nicht zu verlassen. Obwohl ihn als Komponisten und Arrangeur die Zurückweisung durch das Publikum am härtesten getroffen und die ganze Nacht wach gehalten hatte, versuchte er Barry aufzumuntern, appellierte an seinen Kampfgeist und erzählte ihm Geschichten von berühmten Bands, die am Beginn ihrer

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