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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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einem anderen ein altes Ehepaar. Ein Radio lief, irische Volksmusik vermischte sich mit den Stimmen der Gäste. Tobey trank Bier, Barry Cola, weil er fuhr. Barry erzählte verlegen, Megan habe ihn umarmt, als er ihr sagte, er sei Vegetarier geworden. Er meinte, sie würde bestimmt bald zurückkommen, und Tobey ließ ihn in dem Glauben. Dann redeten sie über Musik und Instrumente, und Tobey erzählte von Micks vierzig Jahre altem Keyboard, den Proben, die viel disziplinierter verliefen als früher, und davon, wie schwer es war, Dermot beizubringen, er müsse sich anstrengen und besser werden, wenn er Bassist der Loyal Treaters bleiben wolle. Er fragte Barry, ob er noch spiele, und Barry war es beinahepeinlich zu gestehen, dass er nach wie vor jeden Tag auf dem Bass übte, obwohl es für ihn keine Band mehr gab.
    Als sie Stunden später zum Auto gingen, sah Tobey in einer offenen, von weißem Licht erhellten Garage einen Mann den Henkel eines Blecheimers reparieren, und fing an zu weinen. Er stand auf dem fast leeren Parkplatz, geschüttelt von einem heftigen Schluchzen, das aus ihm herausbrach wie der plötzliche Fieberschub einer lange unterdrückten Krankheit. Es regnete nicht mehr. Ein Hund trottete an den verlassenen Tischen und Stühlen des Gartenlokals vorbei, mit hängendem Kopf, müde oder in Gedanken versunken. Barry wusste nicht, was tun, blieb einige Meter von Tobey entfernt stehen und ging erst nach einer Weile zu ihm hin, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Er wollte etwas sagen, aber ihm fiel nichts ein, das irgendeinen Sinn ergeben, irgendeinen Trost versprochen hätte. Tobey, die Hände vor das Gesicht gelegt und den Oberkörper nach vorne gebeugt, rang zitternd und ächzend nach Luft, wandte sich ab und schritt rasch über den geteerten Platz zu einem Baum an der Straße, lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen den Stamm, beide Hände auf die feuchte Rinde gepresst, und atmete tief ein und aus, bis der Druck in der Brust nachgelassen hatte und er die Augen öffnete und zu der Garage sah, wo kein Licht mehr war und kein Mann. Er trat gegen den Abfalleimer, der neben einem groben, wie mit der Axt behauenen Holztisch stand. Flaschen und Büchsen rollten über den Boden, der Wind war zu schwach, um die Zeitungen und Chipstüten fortzuwehen. Barry sagte etwas, so leise, dass Tobey es nicht verstand. Der Hund war stehengeblieben und sah zu ihm herüber, ein altes Tier, dick und unförmig wie ein Schaf in der Winterwolle. Tobey hob eine Bierflasche auf und schleuderte sie gegen den Baum, aber sie zersplitterte nicht. Er warf sie ein zweites Mal, und auch jetzt ging sie nicht zu Bruch. Eine Zeitlang stand er einfach da und starrte den Baum an, müde wie der Hund. Irgendwann berührte ihn Barry am Arm, und zusammen gingen sie zum Wagen, setzten sich hinein und fuhren davon.
    Am nächsten Morgen holte Barry Tobey vom B & B ab, doch statt zum Bahnhof in Tralee fuhr er über Farranfore und Castleisland in Richtung N 21, die nach Limerick führte. Tobey sagte nichts. Er lehnte sich im Sitz zurück, und obwohl ihm noch immer der Kopf weh tat und einGewicht auf Brustkorb und Magen drückte, lächelte er. Die Straße, leer und glänzend vom Regen, sah aus, als wäre sie einzig für Barry und ihn gebaut worden und würde sich hinter ihnen im trübgrauen Nichts auflösen wie eine Brücke, die nur im Traum existierte.
     
    Tobey stand vor dem Badezimmerspiegel und rasierte sich. Aus dem Elektroofen neben ihm stieg warme Luft auf. Wäsche hing an Schnüren über der Badewanne, deren Wände rostiges Wasser mit sepiafarbenen Mustern bemalt hatte. Es roch nach Farbe und dem Kleber unter den frisch verlegten Kacheln, die dunkelblau zwischen den alten, vom Kalk stumpf gewordenen hervorstrahlten. An einer Wand lehnte eine Leiter, deren mit Putz und Farbspritzern bedeckte Sprossen zum Kippfenster führten. Jason hatte am Tag zuvor die kaputte Scheibe gegen eine neue ausgetauscht. Statt Kitt oder Silikon hatte er Isolierband benutzt und danach die Renovierungsarbeiten für beendet erklärt, obwohl noch längst nicht alle Punkte auf der Liste, die er und Tobey erstellt hatten, abgehakt waren.
    Nachdem Tobey sich fertig angezogen hatte, ging er in die Küche. Jason saß noch immer am Tisch und kritzelte in sein Heft. Der Kater lag auf seinem Schoß und hob schläfrig den Kopf, als Tobey den Raum betrat, blinzelte ihn an und rollte sich wieder ein. Jason hatte ihm den Namen Rotten gegeben, weil das Tier verwahrlost und

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