Auf den Inseln des letzten Lichts
krank gewesen war, als er es im Vorgarten eines Abbruchhauses in Kilmainham fand. Die Nacht davor hatte er in der Notaufnahme des St. James’s Hospitals verbracht, wo er darauf wartete, dass ein Arzt ihm mitteilte, seiner im Alkoholdelirium kollabierten Zufallsbekanntschaft gehe es den Umständen entsprechend gut. Nachdem er am Empfang einen Phantasienamen und eine falsche Adresse und Telefonnummer hinterlassen hatte, war er im Morgengrauen ziellos durch die Straßen des Stadtteils gegangen und vor einer Baustelle gelandet, wo das magere, verdreckte Tier in einem umgekippten Eimer schlief.
Durch das Fenster drang schwaches Sonnenlicht. Es war Mittagszeit, die meisten Leute saßen beim Essen, von der Straße drang kaum noch Lärm hoch. Obwohl die Heizung lief, fröstelte Tobey, und er stellte sich an den Herd, setzte Wasser für Kaffee auf und steckte zwei Brotscheibenin den Toaster. Während er wartete, hörte er das Geräusch von Jasons Bleistift auf dem Papier. »Das Wetter bessert sich«, sagte er. Jason hörte auf zu schreiben und sah ihn an, als habe er seine Anwesenheit erst jetzt bemerkt. »Was?«, fragte er. »Das Wetter«, sagte Tobey. »Es wird gut.« Er goss kochendes Wasser über den Pulverkaffee. »Sollen wir raus? Um fünf regnet es wieder.« Die Tasse wärmte seine Hände. »Sonntag«, sagte Jason leise. »Elfen und Feen.« Tobey nickte, schmierte Butter auf den Toast. »Elfen und Feen«, murmelte Jason, und seine Hand mit dem Stift glitt über das Papier.
Tobey aß und trank im Stehen, dann ging er in sein Zimmer und zog Schuhe und Mantel an. Rotten schlüpfte durch den Türspalt und sah sich um, und bevor er unter das Bett kriechen konnte, hob Tobey ihn auf und brachte ihn hinaus. Jason wartete im Flur. Er trug rote Turnschuhe, eine schwarze Lederhose und den dunkelblauen Wintermantel seiner Mutter, auf den er hunderte silbern glänzender Knöpfe genäht hatte, was den Stoff an einigen Stellen wie die Schuppenhaut einer Echse aussehen ließ. Tobey schüttete etwas Trockenfutter auf einen Teller und setzte Rotten davor. Während der Kater hastig fraß, verließen Tobey und Jason die Wohnung. Vor der Tür fanden sie einen Topf, an dem ein Zettel mit der Aufschrift AUFWÄRMEN! befestigt war. Tobey trug Daphney Maloneys Irish Stew in die Küche und verstaute ihn im Kühlschrank. Am Abend würden sie den Topf leer essen, spülen, einen Zettel mit dem Wort DANKE! hineinlegen und vor Daphnes Tür stellen. Die Nachbarin hatte mit dem sonntäglichen Ritual begonnen, als Tobey und Jason die Wohnung renovierten und sich von Brot, Käse und Sardinen ernährten, und wie es aussah, wollte sie es noch eine Weile beibehalten. Rotten hatte nicht einen einzigen Krümel auf dem Teller gelassen, strich um Tobeys Beine und gab klagende, fordernde Laute von sich. Tobey hob ihn hoch und setzte ihn im Flur ab, schloss die Küchentür und verließ die Wohnung. Jason stand im Treppenhaus. Die Knöpfe auf seinem Rücken schimmerten metallisch im Licht, das aus dem Oberfenster fiel.
Eine halbe Stunde später saßen Tobey und Jason auf einer Bank im Mountpleasant Tennis Club und sahen zwei höchstens vierzehnjährigen Mädchen beim Training zu. Die Sonne stand irgendwo über ihnen, eine riesige Lache verschütteten Lichts. Es wehte kein Wind, nur der Ton dergeschlagenen Bälle war zu hören, und gelegentlich Vogelzwitschern in einem der Bäume, die das Vereinsgelände umgaben. Manchmal ächzte eines der Mädchen, wenn es auf den Ball drosch, oder stieß beim Aufschlag ein lautes Stöhnen aus. Dann legte Jason den Kopf leicht zurück und lächelte. »Wir sollten einen Song über sie schreiben«, flüsterte er. »Ja, das sollten wir«, sagte Tobey. Er fühlte sich gut, fast glücklich. Sie hatten sich eine gefaltete Wolldecke über die Beine gelegt wie alte Männer im Park. Eine Amsel sang. Kein Instrument kann das, dachte Tobey und machte die Augen zu.
Am Nachmittag trafen sie sich im Übungskeller. Barry war schon da und schraubte an seinem Verstärker herum. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen und die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. In den ersten zwei Wochen war er bei Jason und Tobey untergekommen, jetzt teilte er sich mit vier Studenten eine Altbauwohnung in Dundrum. An dem Abend, als er mit Tobey in Dublin angekommen war, hatte er seine Eltern angerufen und ihnen gesagt, er wolle eine Weile bleiben und über seine Zukunft nachdenken, was Niamh und Deirdre Spillane aus allen Wolken fallen und in eine tiefe
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