Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
Vom Netzwerk:
als anderswo.« Er lehnte sich zurück und breitete die Arme aus. »Wie alt bin ich? Raten Sie.«
    Megan tat, als habe sie ihr Gegenüber nicht schon längst taxiert. »Vierzig?«, sagte sie.
    Raske strahlte. »Zweiundfünfzig!«, rief er. »In Europa sähe ich wahrscheinlich aus wie sechzig und würde mich fühlen wie siebzig.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte versonnen. »Nun aber doch noch einmal zu der Frage, wie Sie uns gefunden haben. Ich meine, wir stehen ja nicht gerade im Telefonbuch.«
    »Jeffrey konnte mir nur sagen, in welcher Gegend ich suchen soll. Er war einmal hier. Mit dem Hubschrauber.«
    »Ich glaube, ich erinnere mich. Das ist einige Jahre her.«
    »Als ich los bin, habe ich nicht daran geglaubt, die Insel zu finden. Aber ich kann hartnäckig sein.«
    »Wie man sieht.« Raske grinste.
    »Ich hoffe, ich verletze durch mein Auftauchen nicht irgendwelche Regeln.«
    »Das nicht, keine Sorge. Es ist nur … Da wir mit Menschenaffen arbeiten, gilt es, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Besucher können Krankheiten auf die Insel bringen.«
    »Ich bin gesund.«
    »Offensichtlich.« Raske ließ seinen Blick eine Weile auf Megan ruhen. »Wer, sagten Sie, hat Sie hergebracht?«
    »Fischer.«
    Raske nickte. »Und woher wussten die, wo die Insel liegt?«
    »Sie wussten es nicht. Wir sind eine ganze Weile herumgeschippert, bevor wir hier landeten.«
    Raske faltete die Hände und stützte das Kinn darauf. »Von wo sind Sie losgefahren?«
    »Ich weiß nicht mehr. Das Nest war winzig. Ein paar Hütten an der Küste. Sopang. Bulong. So ähnlich. Nachdem ich Manila verlassen hatte, war ich eine Woche unterwegs.« Megan ließ ihren Tonfall beiläufig klingen. Sie hielt Raskes Blick stand. Sie log, und ihr war klar, dass er es wusste.
    »Verstehe.« Raske nickte wieder. Dann stand er mit einem Ruck auf. »Einen Drink? Ich habe Cognac, Whisky und Bier.«
    »Danke, zu früh für mich.«
    Raske wirkte für einen Moment verwirrt. »Nicht, dass Sie denken, ich sei ein Säufer. Ich bin seit vier Uhr morgens auf den Beinen.« Er deutete auf die Flasche und das leere Glas. »Das hier war der Aperitif vor dem Essen.« Er sah Megan an. »Sind Sie hungrig?«
    Megan hatte zum Frühstück einen Getreideriegel gegessen. »Um ehrlich zu sein, ja.«
    »Na dann kommen Sie.« Raske nahm sein Jackett von der Stuhllehne, setzte den Hut auf und ging zur Tür, um sie für Megan zu öffnen.
    Megan trat auf den Flur.
    »Sie müssen das fehlende Licht entschuldigen«, sagte Raske, während er die Tür zusperrte. »Zurzeit funktionieren nur zwei unserer Generatoren. Der für die Küche und der für das Labor.« Er ging, das Jackett über den Arm gelegt, voraus. »Während wir hier kaum altern, haben Geräte und Maschinen eine sehr niedrige Lebenserwartung.«
    Im Freien schwemmte eine Woge aus Helligkeit über Megan hinweg, und ihr Körper stieß auf die Hitze wie auf einen Widerstand. Eine Handvoll Vögel flog vorbei, verschwommene Punkte, die sich im Himmel aufzulösen schienen.
    »Es ist gleich da drüben.« Raske wies mit der Hand auf ein Gebäude links von ihnen und ging los.
    Megan hängte sich den Rucksack an die Schulter und folgte ihm. Im Schatten eines Baumes wickelte der Philippino ein Stück Draht um den Schaufelstiel, und für die Dauer eines Atemzugs krampfte sich Megans Herz zusammen. Die Blätter der Büsche, an denen sie entlanggingen, waren staubbedeckt. Ein Käfer, groß und dunkel wie eine Kastanie, flog neben ihr hoch. Megan sah ihm nach und stellte sich vor, wie sie das auf ihrer Handfläche sitzende Tier zeichnete. Im Rucksack befanden sichaußer der Wasserflasche fünf Hefte, ein Malblock, Buntstifte, ein Kasten Aquarellfarben und Pinsel. Zwei der Hefte, jedes mit hundert linierten Seiten, waren vollgeschrieben, und Megan glaubte ihr Gewicht zu spüren.
    Aus dem Gebäude, das auch gemauert, aber nicht auf Säulen gebaut war, drangen Stimmen, das Klappern von Besteck und der Geruch nach Essen. Raske wartete an der Tür auf Megan, damit sie den Raum gemeinsam betreten konnten. An einem langen Holztisch saßen die junge Frau vom Strand, Malpass und eine ältere Frau. Als die drei Raske und Megan bemerkten, verstummten sie.
    »Wir haben einen Gast«, verkündete Raske und legte eine Hand auf Megans Schulter. »Megan …« Er sah Megan fragend an.
    »O Flynn.«
    »Megan O Flynn, richtig. Sie bewirbt sich um eine Stelle bei uns.«
    Malpass murmelte etwas Unverständliches.
    »Megan, das hier ist

Weitere Kostenlose Bücher