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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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vorstellen? Eigentlich sollte er mit Nelson arbeiten, aber er wird mir bestimmt gleich erklären, warum er stattdessen schläft.«
    Der junge Philippino legte die Kopfhörer auf den Boden und erhob sich. »Wir Worte gelernt«, sagte er, »dann Nelson müde.«
    »Ach, Nelson wurde müde.« Raske schien nachzudenken. »Und da hast du dich für ihn hingelegt, ja?« Er sah Megan an und grinste.
    »Vier Stunden gelernt. Beide müde.«
    »Ja ja, schon gut«, sagte Raske und ging zur Tür. »Kein Wunder, dass Nelson immer fetter und dümmer wird.« Er schaltete das Deckenlicht ein und öffnete die Tür. »Kommen Sie?«
    Megan lächelte Jay Jay zu und verließ hinter Raske den Raum.
     
    Die Sonne versank hier so schnell, dass man in einem Augenblick noch die Nägel im Zaun am Ende des Wegs sah und im nächsten nicht einmal mehr den Weg selbst. Der Himmel wechselte zwischen zwei Lidschlägen die Farbe, von Blau zu Gelb, von Rot zu Grau und schließlich Schwarz. Für kurze Zeit gaben die Vögel und Insekten Ruhe.
    Das Quaken der Frösche war das erste, was Megan hörte, als sie aufwachte. Die Töne perlten durch die Dunkelheit, stiegen auf wie Blasen und zerplatzten. Megan brauchte einen Moment, um sich zu erinnern, wo sie war. Sie hatte sich hingelegt, nachdem Miguel, der Mann mit der Schaufel, den Spülkasten in ihrem Badezimmer repariert und eine neue Glühbirne in die Deckenlampe, die gleichzeitig ein Ventilator war, geschraubt und Rosalinda das Bett bezogen hatte. Jetzt lag sie da und sah auf das Fenster, hinter dem es Nacht geworden war. Raske hatte das Zimmer herrichten lassen. Für eine Rückkehr zum Festland sei es zu spät, hatte er gesagt, und dass sie beim Abendessen über ihren weiteren Verbleib auf der Insel reden würden.
    Megan setzte sich auf. Ihre Kehle war trocken. Sie nahm die Wasserflasche aus dem Rucksack und trank. Dann sah sie auf die Uhr, die halb acht anzeigte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann und wo Raske sie erwartete. Eine Weile betrachtete sie die gerahmte Fotografie an der Wand über der Kommode, ein Flussdelta aus der Vogelperspektive, verästelte Wasserläufe und Sandbänke, gesprenkelt von tausenden weißen Punkten, den Körpern von Reihern. Schließlich stand sie auf und ging ins Bad, wo ein Handtuch und ein Stück Seife lagen. Ihr Gesicht war so braungebrannt, dass die Augen darin größer wirkten. Ihr Haar war zu lang, und sie beschloss, es abzuschneiden, sobald sie eine Schere fand. Als sie daran dachte, dass die Haare nachwuchsen und erneut geschnitten werden mussten, überkam sie eine große Müdigkeit und ein Gefühl von Verzweiflung. Sie drehte ein paarmal den Ring an ihrem Finger, aber es half nicht.
    Nach dem Duschen zog sie frische Unterwäsche, einen farbigen Wickelrock und ein weißes, langärmliges Männerhemd an, alles Sachen, die sie in Manila auf dem Markt gekauft hatte. Sie hätte die Sandalen nicht verschenken sollen, dachte sie, als sie barfuß in die Turnschuhe schlüpfte. Annika trug die Sandalen jetzt. Megan schloss die Augen. Sie hörte Felipe,Jeremy und Annika reden, die hinter ihr in den Kissen lagen, eiskaltes Bier tranken und über den Hund lachten, der nach Faltern schnappte. Sie wollte sich noch nicht zu ihnen setzen, hatte keine Lust, ihre Joints zu rauchen und sich ihre Geschichten und immer gleichen Witze anzuhören. Sie sah die Bretter über dem Swimmingpool, in dem jemand ertrunken war: ein Junge aus San Francisco, eine alte Holländerin, der frühere Besitzer des Hotels, ein betrunkener Gast.
    Megan öffnete die Augen, erhob sich und verließ das Zimmer. Das Haus, in dem sie untergebracht war, hatte etwa die Größe eines Trailer Home, wie Megan sie in amerikanischen Filmen gesehen hatte, und lag neben zwei anderen in der Nähe des Labors und des ehemaligen Besucherzentrums. Ein paar Bäume mit dünnen, glatten Stämmen standen um die Holzhäuser herum. Solarbetriebene Lampen warfen ihr schwaches Licht auf die ersten Meter des Weges, der zum Platz führte. Ein Gartenschlauch lag zusammengerollt auf der Erde, daneben eine rostige Harke. Megan wohnte nicht alleine hier. Vor dem Fenster des einen Hauses hing Wäsche an einer Schnur, vor der Tür des anderen stand ein Paar Stiefel.
     
    In dem Gebäude, in dem Megan mit Raske und den anderen zu Mittag gegessen hatte, brannte Licht. Hunderte Mücken und Falter umschwirrten die beiden Leuchtstoffröhren, die, durch ein Stück Blech vor Regen geschützt, über der Tür angebracht waren. Ein kleines Tier, eine

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