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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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bewegte den Staub, den die Schuhe des Mannes aufwirbelten.
     
    In dem Raum, den Megan betrat, war es dunkel. Nur das Licht, das in ihrem Rücken durch die offene Tür fiel, ließ sie nicht stolpern, während sie hinter dem Mann herging. Ein Teppich federte ihre Schritte. Musik wehte ihnen entgegen, so leise, dass Megan nur die hohen Töne wahrnahm. Sie empfand die Luft im Gebäude als kühl, obwohl die Ventilatoren an der Flurdecke sich nicht drehten. An den Wänden hingen gerahmte Bilder, aber sie konnte nicht erkennen, was sie darstellten.
    Die Musik verstummte Sekunden nachdem der Mann an die Tür geklopft hatte, vor der er stehengeblieben war.
    »Ja!« Die Stimme war laut, ihr Klang gleichzeitig gereizt und gelangweilt. Eine Schublade wurde rumpelnd zugeschoben.
    Der Glatzkopf öffnete die Tür und lehnte sich halb in das Zimmer. »Du musst dich um etwas kümmern«, sagte er, öffnete die Tür ganz und trat einen Schritt zur Seite, damit der Mann am Schreibtisch Megan sehen konnte.
    Wenn der Mann überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er verschränkte die Hände vor dem Bauch und musterte Megan. Seine Anzugsjacke hing über der Stuhllehne. Der Hut, den er draußen getragen hatte, lag auf dem Tisch neben einer Flasche, einem halbvollen Glas und einem medizinischen Modellkopf mit aufgeklappter Schädeldecke. In seinem Rücken befand sich ein Fenster, durch die Ritzen im heruntergelassenen Rollo drang Licht.
    »Sie ist einfach so aufgetaucht«, sagte der Mann mit der Glatze. »Behauptet, sie sei mit Fischern gekommen, in einem Boot, niemand habe sie geschickt.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch löste den Blick nicht von Megan. »Stimmt das?«, fragte er ruhig.
    »Ja. Gestern Nacht«, antwortete Megan. »Ich habe von dem Forschungsprojekt gehört und würde gerne hier arbeiten.«
    Der Mann klappte die Schädeldecke zu, dann lachte er.
    »Sie kennt Jeffrey Salter«, sagte der Glatzkopf.
    »Ich habe für ihn gearbeitet.« Megan machte einen Schritt nach vorneund stand jetzt auf der Schwelle zwischen Flur und Büro. »Ich bin Tierärztin.«
    Der Mann schüttelte belustigt den Kopf, trank das Glas leer und erhob sich. »Kommen Sie doch herein«, sagte er und wies mit einer ausholenden Armbewegung auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand. Dann zog er das Bambusrollo zur Hälfte hoch.
    Megan betrat den Raum, stellte den Rucksack auf den Fußboden und setzte sich.
    »Sie kann nicht bleiben«, sagte der Glatzkopf mit gesenkter Stimme, als könnte Megan ihn so nicht hören.
    »Schon gut, Malpass, ich erledige das.« Der Blonde nickte mit dem Kinn zur Tür. Malpass verstand sofort, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Der Blonde blieb stehen und fixierte die Wand, wie um durch sie hindurchzusehen. »Du kannst gehen!«, rief er und lauschte den Schritten, die sich auf dem Flur entfernten, bevor er Megan die Hand entgegenstreckte. »Torben Raske.«
    Megan ergriff die Hand. »Megan O Flynn.«
    Raske setzte sich. Megan schätzte ihn auf fünfundvierzig, höchstens fünfzig. Er hatte ein langes, kantiges Gesicht, einen schmalen Mund und blaue Augen. Seine Haare waren strohblond und gerade so lang, dass ihm immer wieder eine nach hinten gekämmte Strähne in die Stirn fiel. Braungebrannt, mit makellos weißen Zähnen, erfüllte er fast jede Bedingung für gutes Aussehen, und doch war da etwas, das Megan daran hinderte, ihn attraktiv zu finden.
    »Dann lassen Sie mal hören«, sagte Raske und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Ich habe für Jeffrey Salter gearbeitet. Er hat mir von der Insel erzählt.«
    Raske rieb sich das Kinn. »Jeffrey Salter. Ich glaube, er war vor vielen Jahren Mitglied des Stiftungsrats. Wie geht es ihm?«
    »Gut, denke ich. Er ist seit einem Monat in Australien.«
    »Was genau hat er Ihnen erzählt?«
    »Dass hier mit Primaten gearbeitet wird. Verhaltensforschung und Kommunikation. Alles sehr unorthodox.«
    Ein Grinsen flog über Raskes Gesicht. »Ja, wir machen hier nicht den üblichen Wissenschaftskram, das stimmt schon. Uns interessieren nichtschnelle Erfolge oder aufsehenerregende Entdeckungen. IPREC setzt seit seiner Gründung auf den seltensten und wertvollsten Rohstoff, der uns in der Forschung zur Verfügung steht.« Er machte eine Pause. »Zeit«, sagte er dann und lächelte, als wollte er seinen Worten das Gewicht nehmen. »Und davon haben wir hier jede Menge.« Er rückte mit dem Stuhl näher an den Tisch heran. »Auf der Insel verrinnt sie nämlich langsamer

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