Auf den Inseln des letzten Lichts
Gesicht war so glatt und unbewegt wie immer, nur sein Mund wurde stündlich schmaler, als müsste er die Lippen zusammenpressen, um nicht loszubrüllen. Im Verlauf des Nachmittags hatte er dreimal das Hemd gewechselt, das vierte trug er an einem Kleiderbügel aus Draht, während ihm das Jackett, vom Zeigefinger gehalten, am Rücken hing. Er hielt das Kinn hoch, wie in Erwartung des Windes, der hoch über ihm die purpurnen Wolken zerpflückte und irgendwann auch auf der Insel unten ankommen würde.
Dort, wo der Weg mit dem groben Kies aus einer Bucht auf der anderen Inselseite belegt war, blieb er stehen. Malpass, in seinen Monolog vertieft, ging noch mehrere Schritte weiter, bis er das Fehlen Raskes an seiner Seite bemerkte und ebenfalls stehenblieb. Raske gab sich keine Mühe, von Jay Jay und den drei Frauen unbemerkt zu bleiben, als er, die Arme mit dem Hemd und dem Jackett ausgebreitet, Malpass aufforderte, endlich den Mund zu halten. Jay Jay stand bereits auf der Veranda und filmte die Ankommenden. Von Raske mit einem einzigen Blick bedacht, ließ er die Kamera sinken und setzte sich in einen der vier Korbstühle, die neben der Tür aufgereiht waren. Malpass murmelte etwas Unverständliches, hielt esdann aber offenbar für besser, Raske in Ruhe zu lassen. Er trank Wasser aus einer Plastikflasche, die er den ganzen Tag herumgetragen hatte, und trat, den Kopf gesenkt, zur Seite, als Raske an ihm und dem mit Blumen bepflanzten Rundbeet vorbei zum Haus ging, die fünf Treppenstufen nahm und an der Kordel der Türglocke zog.
Nancy Preston erwartete sie mit einer kleinen Stärkung, die sie sich aus der Küche hatte bringen lassen. Sie bestand darauf, dass alle etwas aßen, bevor sie mit der Arbeit begannen. Ruben hatte Stühle ins Wohnzimmer getragen und wanderte mit einem Tablett voller Thunfisch-, Eier- und Käsebrote umher, während Nancy die Limonadenkrüge verwaltete. Mit einer Zigarette im Mundwinkel saß sie in ihrem Sessel und füllte jedes leere Glas, das ihr hingehalten wurde. Sie trug weiße Sandalen, einen sandfarbenen Hosenanzug, ein locker um den Hals geknotetes Hermestuch und dezenten Perlenschmuck, bestehend aus einer Brosche und Ohrringen. Das Auffälligste an ihr waren die dunkelrot lackierten Fingernägel und der Lippenstift in derselben Farbe. An den Anblick ihrer mit viel Spray zu einem Turm geformten Haare hatte Megan sich bereits gewöhnt. Als Raske sich neben sie setzte und ihr den Ablauf des Drehs erläutern wollte, winkte Nancy ab und meinte, sie wisse, was sie zu sagen habe.
Nachdem alle einschließlich Nelson und Montgomery etwas gegessen und getrunken hatten, zogen Carla, Ester und Megan frische Krankenhausuniformen an, setzten Perücken auf und schminkten sich flüchtig. Die nächste Stunde verbrachten sie damit, die Lehrerinnen von Nelson und Montgomery zu mimen, Gegenstände aus den Truhen zu nehmen, Sachen auf die Wandtafel zu zeichnen und so zu tun, als hielten sie wichtige Erkenntnisse in großen gebundenen Heften fest. Die Aufnahmen waren als Füllmaterial gedacht, als kurze, von Raske mit einem Off-Kommentar versehene Einspielungen zwischen den Szenen mit Nancy, die den Zuschauern vorschwärmte, wie erfüllend die Arbeit mit den Primaten und wie friedlich das Leben auf der Insel sei, während die Welt sich in einem ewigen Kreislauf aus Krieg, Hass und Zerstörung befinde. Um ein Beispiel für die Schrecken, von denen die IPREC-Station verschont blieb, zu nennen und außerdem diskret auf das Datum der Aufnahmehinzuweisen, hielt sie eine drei Tage alte New York Times in die Kamera und kommentierte ein Bombenattentat im Irak und einen Amoklauf an einer amerikanischen Schule.
Raske stand mit einem Glas Limonade in der Hand neben Jay Jay und ließ Nancy machen. Es war offensichtlich, dass ihm ihre Vorstellung, die wild zwischen selbstgefälligen Vorträgen und uferlosem Palaver hin und her sprang, den letzten Nerv raubte, aber er blieb ruhig und nutzte jede ihrer Pausen, in denen sie an ihrer Zigarette zog, um die Aufnahme zu stoppen, Nancy zu loben und sie geschickt dorthin zu lenken, wo er sie haben wollte. Auf diese Weise gelang es ihm, ihr ein paar zusammenhängende Sätze zu entlocken, die den Mitgliedern der Stiftung beweisen würden, dass es ihr gutging, die Arbeit mit den Primaten so erfolgreich verlief wie in den vergangenen Jahren und nichts gegen eine erneute finanzielle Unterstützung von IPREC sprach. Zum Schluss setzte er sich neben sie, stellte ihr einige Fragen
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