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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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die Farm des Vaters übernommen hatte, verkündete, Irland nie mehr zu verlassen. Tobey hatte nicht glauben können, dass sein Vater, der kaum jemals zu einer Fahrt nach Killorglin, geschweige denn nach Cork oder Dublin zu bewegen gewesen war, so etwas Abenteuerliches wie Koffer besessen hatte, aber zum Beweis zeigte Aidan ihm die mit Kugelschreiber auf den Innenstoff gekritzelten Initialen S, O undF, die für Seamus O Flynn standen. Aidan meinte, jetzt, wo sein Bruder tot sei, gehörten die Koffer Tobey, und er solle dafür sorgen, dass sie etwas von der Welt sahen.
    »Also dann, gute Nacht«, sagte Tanvir und verließ den Raum.
    »Nacht«, sagte Tobey, erhob sich und verriegelte die Tür. Dann öffnete er beide Koffer und suchte nach den Briefen.

 
    Nachricht von Megan
     
    Vermutlich hast du politisch ignoranter Mensch noch nie von einer Gruppe gehört, die sich Illegal Eagles nennt. (Toller Name, nicht? Er ist von mir!) Wir sind etwa zwanzig Leute, mal mehr, mal weniger, alles militante Tierschützer. Falls du ab und zu Zeitung liest, musst du in den vergangenen Monaten etwas von unseren Aktionen mitbekommen haben. Bei der letzten vor zwei Wochen haben wir in einer Nacht achtzehn Kühltransporter von drei Fleischlieferanten angezündet. Eigentlich sollten es zwanzig sein, aber die Gruppe, bei der ich war, musste abhauen, weil die Security-Typen früher als üblich auftauchten. Wir konnten unseren vorgesehenen Fluchtweg nicht nehmen und sind quer durch ein Industriequartier gerannt, über Mauern geklettert und durch Maschendrahtzäune geschlüpft, in die wir mit Zangen Löcher geschnitten haben. Einer von uns (natürlich ein Kerl!) hat sich beim Sprung von einer Mauer den Fuß verstaucht. Wir mussten ihn stützen und kamen uns vor wie in einem Kriegsfilm, nur dass niemand auf uns geschossen hat. (Mittlerweile ist die Polizei hinter uns her, und die sind nicht nur mit Schlagstöcken und Trillerpfeifen ausgerüstet wie die Wachmänner.) Einer unserer Jungs ist ein Technikfreak und hat uns GPS-Geräte besorgt, mit denen wir problemlos den gestohlenen Kleintransporter gefunden haben, der zwei Kilometer vom Hof des Fleischgroßhändlers entfernt stand und in dem Paul auf uns wartete. (Wir nennen uns nach berühmten Vegetariern, mein Deckname ist Linda, du weißt schon, Linda McCartney. Paul ist Paul McCartney, aber wir haben nichts miteinander, auch wenn er das gerne möchte. Der Technik-Junkie ist Kafka.) Wir sind organisch gewachsen. Am Anfang waren wir fünf, drei Frauen, zwei Männer. Wir haben alle bei irgendwelchen Tierschutzgruppen mitgemacht, auf der Straße Broschürenverteilt und Unterschriften gesammelt, Tofuburger verschenkt und Filme über Tierfabriken gezeigt, das ganze Programm eben. Soll ich dir was verraten, Toto? Den meisten Leuten ist es völlig egal, woher ihr Steak kommt und wie ihr Frühstücksei produziert wird. Aber das dürfte nicht mal dich überraschen. Du kennst mich, ich bin ein friedliebender Mensch, aber wenn dir bei jeder Straßenaktion zehn schmierige Typen sagen, sie bräuchten rotes Fleisch für die Potenz oder hätten eine knackige Wurst in der Hose, die du kosten könntest, wirst du irgendwann sauer. Und wenn dich jeder fünfte Kerl fragt, ob nicht dieser Scheiß-Hitler auch ein Scheiß-Vegetarier gewesen sei, dann hast du irgendwann keine Lust und keine Kraft mehr, aus diesem selbstzufriedenen Pack ethisch und moralisch verantwortungsvolle Wesen zu machen. Dann möchtest du nur noch zuschlagen. Du möchtest ihnen in ihre fetten Bäuche treten und sie mit ihren vollen Einkaufstaschen verprügeln, du möchtest sie eine Woche lang in einen Blechschuppen sperren, wo sie einander auf den Füßen herumstehen, weil kein Platz für so viele von ihnen ist, du möchtest sie ohne Wasser in Lastwagen von Palermo nach Hamburg karren. Aber wir tun ihnen nichts. Wir lassen sie ihr Leben leben. Wir stören nur ein wenig ihr System, spucken ihnen in die Suppe. Vor zwei Monaten haben wir in vierzig Filialen von McDonald’s und Burger King Zeitbombenattrappen in den Waschräumen deponiert. (Wenn du davon nichts mitbekommen hast, lebst du auf dem Mond, Toto!) Wir haben ein Bekennerschreiben an den Observer geschickt. Kein Weltverbesserungsgesülze, kein anklagendes Gelaber. Auf dem Blatt stand nur ein Satz: Wir waren es. Dazu die Adressen der Hamburgerläden und unser Logo, ein Adler mit gespreizten Flügeln, der in einer Kralle einen Speer und in der anderen einen Stift hält: Kampf und

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