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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Ich vermute jedoch, dass es eine Seewespe war.«
    »Gibt es viele davon in diesen Gewässern?«
    »Quallen treiben mit der Strömung. Ihr Auftreten ist von den Jahreszeiten abhängig, von meteorologischen Bedingungen, Nahrungsangebot, Fortpflanzungsverhalten.«
    »Von Zufällen also.«
    »Auch von Zufällen, ja.«
    Tobey drehte sich um. »Tja, ich werde dann mal ins Bett gehen«, sagte er. »Ich bin müde.«
    »Schlafen Sie gut.« Tanvir hob die Hand zu einem kurzen Winken, dann legte er die Füße hoch. »Ich bleibe noch einen Moment hier.«
    »Danke fürs Verarzten.«
    »Keine Ursache.«
    Bei der Treppe blieb Tobey stehen. »Wer ist der Kerl, der mich niedergeschlagen hat?«
    »Ach, der. Ein Hitzkopf mit weniger Verstand als Chester. Seinem Onkel gehört das Boot, das uns Lebensmittel und Diesel bringt. Er lungert ab und zu auf der anderen Insel herum.«
    »Kommt er auch auf diese Insel?«
    »Keine Sorge, hier hat er nichts verloren.«
    »Was wollte er von mir?«
    »Wer weiß. Er hat Sie wohl für einen Eindringling gehalten, einen Spion.« Tanvir kicherte.
    »Es gibt doch gar nichts zu spionieren hier.«
    »Genau.« Tanvir goss sich etwas Gin ins Glas. »Wie gesagt, er ist ein Hitzkopf und nicht sehr intelligent.«
    Tobey klatschte mit der Hand eine Mücke auf seiner Wange tot. »Er kommt also nie hierher.«
    »Nein.«
    Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang in die Augen.
    »Also dann, gute Nacht.«
    Tanvir prostete Tobey zu. »Gute Nacht.«
    Tobey ging die Treppe hinunter und über den Platz. Die Außenbeleuchtung der Schlafbaracke war gerade hell genug, um ihn den Eingang finden zu lassen. In seinem Zimmer sah er nach, ob das Messer noch hinter dem Boiler war, wo er es vor ein paar Stunden versteckt hatte, und holte dann die Briefe unter der Matratze hervor.

 
    Nachricht von Megan
     
    Morgen fliege ich nach Borneo. Wie klingt das, Tobey? Mein Mann (wie DAS erst klingt!) nimmt mich mit. Er gilt als einer der führenden europäischen Experten auf dem Gebiet der Primatenforschung (das ist schon der dritte unglaubliche Satz in diesem Brief!) und soll dort eine Auffang- und Auswilderungsstation für Orang-Utans leiten. Auf Borneo werden die Urwälder, der Lebensraum der Orang-Utans, abgeholzt, und wir, die guten Menschen der Welt, fliegen hin, um das Schlimmste zu verhindern, obwohl es längst passiert ist und jeden Tag passiert. Ich bin so aufgeregt, dass ich seit einer Woche kaum noch schlafe oder esse. Habe ich dir von meiner Flugangst erzählt? Ich bin vor einiger Zeit von London nach Dublin geflogen (Cait im Supermarkt, keine Zufallsbegegnung übrigens) und fast gestorben vor Panik. Zuerst saß ich auf meinem Sitz und habe die Informationen gelesen, die einem sagen, was man in einem Notfall tun soll, wie man die Schwimmweste und die Sauerstoffmaske anlegt und all die Dinge, von denen man eigentlich lieber nichts wissen will. Das machte mich schon ein wenig nervös, und dann haben die Flugbegleiterinnen uns alles noch einmal erklärt, als ob wir gar nicht zum Fliegen hier wären, sondern zum Abstürzen. Ich habe eine von ihnen gefragt, ob ich jetzt noch aussteigen könne, aber da ist die Maschine schon losgerast, und ich habe die Augen zugemacht und mich an den Sitzlehnen festgehalten. Wahrscheinlich habe ich hyperventiliert, denn mein Sitznachbar hat mich gefragt, ob alles in Ordnung sei, und bestimmt wurde ich ihm unheimlich, als ich nichts geantwortet habe und bleich und steif wie ein Brett wurde. Mein Herz ist fast explodiert, in meinem Kopf dröhnte es und beim Abheben hat sich mein Magen umgedreht. (Zum Glück war er leer.) Morgen fliege ich von London nach Djakarta! Und als ob dasnoch nicht genug wäre, fliege ich auch noch in einem Hubschrauber von Djakarta in ein kleines Nest im Osten der Insel, wo die Station schon fertig gebaut ist und alle auf die Wissenschaftler warten. Und auf mich, die abgebrochene Veterinärmedizinerin, die nur dabei ist, weil ihr Ehemann nicht ohne sie zu haben war. Sie werden mich hassen, Tobey. Sie werden hinter meinem Rücken tuscheln und mir höflich lächelnd aus dem Weg gehen. Sie werden den Kopf schütteln, wenn sie mich sehen, wie ich den Tausendfüßler zeichne, der sich auf dem Boden der Gemeinschaftsküche eingerollt hat. Sie werden sich Geschichten über mich ausdenken, weil ich tagelang im Zimmer bleibe und lese (ein Koffer voller Bücher!), weil ich irgendwo sitze und schreibe (unnützes Zeug), weil ich Lederstiefel trage (Angst vor dem Fliegen UND vor

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