Auf den Inseln des letzten Lichts
Kühlschranktür zu, in ihrer Hand hielt sie einen großen gelben Kürbis.
»Kaffee?« Tobey benutzte das englische Wort, und, als Rosalinda nicht reagierte, das spanische. Er sah den Krug auf dem Herd, der Duft war noch immer stark genug, um von den Schwaden des kochenden Gemüses nicht völlig verdrängt zu werden.
Rosalinda griff nach einer Art Machete und zerteilte den Kürbis in zwei Hälften, dann in Viertel, eine wogende Göttin, die ihre schlechte Laune an einem Planeten auslässt.
»Ich bin Katholik«, sagte Tobey. »Alle Iren sind katholisch.« Es war ihm egal, dass er übertreiben und lügen musste, das Verlangen nach einer Tasse Kaffee war zu groß.
Rosalinda rührte kurz im Topf, dann schälte sie mit einem Messer das Kürbisfleisch in eine Schüssel. Chester steckte sich das letzte Stück Karotte in den Mund und sah sich nach weiteren Leckereien um. Als er nichts fand, zupfte er an Rosalindas Kleid und gab einen grunzenden Lautvon sich. Die Köchin reichte ihm einen Keks, den sie aus einer Büchse nahm, und sagte etwas zu dem Affen, das tadelnd klang.
Tobey stand auf, rollte den Ärmel des Hemdes hoch und zeigte Rosalinda das Kreuz, das er sich in Dublin hatte tätowieren lassen, betrunken und mit Jason Dwyer im Schlepptau, der sich für einen lodernden Totenschädel entschieden hatte.
»Katholisch«, sagte er und hoffte, Rosalinda würde der Stacheldraht, der sich um das Kreuz wand, nicht davon abhalten, ihn als wahren Christen anzuerkennen.
Rosalinda betrachtete die Tätowierung mit ernster Miene. Sie hatte große braune Pupillen, und wer sich traute, ihr in die Augen zu schauen, erkannte winzige grüne Splitter darin. Sie roch nach Essen und Seife und Schweiß, und ihr Atmen war ein leises Keuchen, auch wenn sie sich nicht bewegte.
»Gott«, sagte Tobey, als die Köchin auch nach einer Weile keine Anstalten machte, ihn in ihrer Kirche aufzunehmen und mit einer Tasse Kaffee willkommen zu heißen. »Dios.«
Endlich sagte Rosalinda etwas in ihrer Sprache, ein Murmeln, von dem Tobey nicht wusste, ob es abschätzig oder anerkennend war. Als Chester sie am Rock zog, wies sie ihn mit einem einzigen Wort zurecht. Dann zeigte sie mit dem Finger auf Tobey und fragte in gebrochenem Englisch: »Du glaubst Gott?«
Tobey nickte heftig. »Ja!« Vielleicht hatte sie den Stacheldraht als Dornenkrone gedeutet, dachte er und rief: »Jesus Christus!« Wenn die Frau noch immer nicht begriff, dass er einer der ihren war, würde er aufgeben und das Brot mit Wasser hinunterspülen.
Rosalinda musterte ihn skeptisch, in ihrem Kopf arbeitete es, Anklagepunkte und Entlastungsbeweise wurden gegeneinander abgewogen. Zwischen ihren beiden oberen Schneidezähnen klaffte eine Lücke, der Eingang zu einer schmalen Gasse in einer Reihe strahlend weißer Häuser. Tobey wurde warm. Keiner der Deckenventilatoren drehte sich. Er musste an Father MacMahon denken, der sein Leben Gott und der Kirche widmete, und schämte sich dafür, was er alles für eine Tasse Kaffee und die Gunst einer religiösen Haushälterin tat.
Chester, der eine über den Knien abgetrennte Jeanshose und eine ArtHawaiihemd trug, richtete sich auf und langte nach einem Stück Kürbis. Rosalinda schlug ihm andeutungsweise auf die Finger, ihre Verwarnung war vokalreich und voller dramatischer Melodik. Gerade als sie sich wieder Tobey zuwenden wollte, um ihm die Absolution zu erteilen oder ihn auf ewig zu verdammen, ging die Tür auf und Miguel betrat den Raum. Er blieb ein wenig zu abrupt stehen und sah Rosalinda und Tobey an, als sei er in etwas äußerst Intimes geplatzt. Er schloss die Tür, murmelnd und ein schiefes Lächeln im Gesicht, nahm eine Tasse aus einem Regal und goss sich Kaffee ein. Rosalinda sagte etwas zu ihm, und nach kurzem Zögern reichte er die Tasse Tobey, der sich ein paar Schritte von Rosalinda entfernt hatte, holte eine neue aus dem Regal und füllte sie mit Kaffee.
Nach dem Frühstück, das aus Kaffee, Brot, Honig, Bananen, hartgekochten Eiern und fadem gelbem Käse bestanden hatte, war Tobey zum Friedhof gegangen. Unterwegs hatte er Blumen gepflückt, jetzt saß er auf der Bank, deren Holz einen Geruch verströmte wie frisch geschlagen. Irgendwo musste die Sonne sein, die beiden Bäume warfen Schattenmuster auf den Boden. Tobey hatte geweint. Er hatte versucht, sich an ein Gebet zu erinnern oder wenigstens an ein paar Worte des Pfarrers während der Beerdigung seines Vaters, doch ihm waren nicht einmal die ersten Sätze des
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