Auf den Inseln des letzten Lichts
Vaterunser eingefallen. Dann hatte er mit Megan gesprochen, ihr von seiner Reise erzählt, seiner Suche, und war ruhiger geworden.
Obwohl in Gedanken versunken, hörte er die Geräusche hinter sich, das Knacken von Zweigen, Schritte. Er schnellte mit dem Oberkörper nach vorne, zog das Messer und sprang von der Bank. Der Bonobo, in seine tropische Briefträgeruniform gekleidet, stand stocksteif da und starrte auf das Messer in Tobeys ausgestreckter Hand. Die Mütze hatte er abgenommen, mit seinen dünnen Fingern hielt er sie vor der Brust fest. Tobey ließ den Arm sinken, von einer Welle der Beschämung überrollt. Die beiden standen einander gegenüber, bewegungslos, wie erschöpft nach einem Tag in bleierner Hitze. Es war still um sie herum, Tobey glaubte, sein Herz schlagen zu hören. Montgomery, die Augen noch immer weit aufgerissen, umklammerte die Mütze wie ein Autofahrer das Lenkrad, das nach einem bizarren Unfall als einziges Teil heil geblieben war.
»Tut mir leid«, murmelte Tobey nach einer Weile, von der er nicht sagen konnte, ob sie Sekunden oder Minuten gedauert hatte. Das Messer wog plötzlich schwer in seiner Hand. Wie um etwas Unanständiges zu verrichten, wandte er sich ab, zog das Hosenbein hoch und schob die Waffe unter das Stoffband.
Montgomery blinzelte, rührte sich. Er ging zur Bank und sah Tobey an, schien zu warten, dass der sich zu ihm setzte. Tobey zögerte, dann nahm er neben dem Bonobo Platz, unsicher und befangen. Er war fünf und musste neben seinem Vater in der Kirche sitzen, war zwölf und rutschte an die Seite von Keira Fitzpatrick, die seine Hand nahm und ihm mitteilte, sie seien nun verlobt, war zwanzig und ließ sich auf dem Sofa nieder, auf dem sein Freund lag und mit leise singender Stimme den Tod zu sich einlud.
Lange Zeit saßen sie so da. Einmal verscheuchte Montgomery ein Insekt, indem er es von seinem Arm blies. Tobey entspannte sich. Irgendwann lehnte er sich zurück und merkte, wie er schläfrig wurde.
Als Tobey die Augen öffnete, war die Sonne ganz aus dem kleinen Friedhof verschwunden, und ein mattes, schweres Licht blieb auf allen Dingen zurück. Die Mütze lag neben ihm. Er hatte geträumt, erinnerte sich daran, geschwommen zu sein. Lichter hatte er gesehen, Sterne, die sich im Wasser spiegelten, leuchtende Quallen. Seine linke Hand war eingeschlafen, er schüttelte sie.
Montgomery stand vor Megans Grab, und erst jetzt kam Tobey in den Sinn, er könnte die Mütze aus Respekt vor den Toten abgenommen haben. Lange Zeit bewegte der Bonobo sich nicht, dann ließ er sich auf die Knie nieder, zupfte mit der Hand Unkraut aus und legte einige der im Meer geschliffenen Steine zurecht, die den Grabstein umgaben. Schließlich erhob er sich, blieb noch einen Augenblick mit gesenktem Kopf stehen und ging dann zu einem anderen Grab.
Tobey fühlte sich seltsam leicht in diesem schattigen Viereck aus Gras und Bäumen, Trauer und Trost, Erinnerung und Abschied. Er hatte das Gefühl, am Ende seiner Reise angekommen zu sein. Montgomery kam zu ihm und legte einen Atemzug lang seine Hand auf die von Tobey. Dann setzte er die Mütze auf und bedeutete Tobey, ihm zu folgen.
Sie betraten die Küchenbaracke durch die Hintertür, auf die der Schatten einiger Bäume fiel. Montgomery ging voraus. Sie kamen an einem Raum vorbei, in dem vier Polstersessel, ein leeres Bücherregal und ein Fernseher standen. An der Wand hinter den Sesseln hing ein Bild, das die nächtliche Skyline von New York zeigte. Montgomery öffnete eine Tür und trat zur Seite, um Tobey den Vortritt zu lassen.
Das Zimmer war erstaunlich groß und hell und möbliert mit Einzelbett, Schrank, Kommode, Bücherregal, Schreibtisch, Stuhl und Sessel. Einen Teil des Dielenbodens bedeckte ein Sisalteppich, vor dem Bett lag ein blauer Wollteppich, ein ovaler See, an dessen Ufer zwei Pantoffelkähne lagen. An den freien Stellen der Wände hingen gerahmte Fotos: Eiffelturm, Golden Gate Bridge, Kreml, die Pyramiden. Eine bunte Tagesdecke mit Pflanzenmotiven war über das Bett gebreitet, auf ein grünes Kissen war mit gelbem Faden Mr. M gestickt. Auf allem lag die Patina des Alterns, jeder Gegenstand war abgenutzt und gebleicht von dem Licht, das durch die dünnen Vorhänge drang. Das Zimmer eines Menschen, dachte Tobey, eines pensionierten Lehrers, Geografie und Geschichte, unverheiratet, einsam.
Montgomery hatte die Tür geschlossen. Er stand, die Hände hinter dem Rücken ineinandergelegt, zwei Schritte neben Tobey,
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