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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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seinen Wäldern liebte; die weite Halle war warm und strahlend — nicht wie vom Sonnenlicht, doch wie von Flammen und wie vom Golde, das in Höhlen glänzt.
     Wie in den Tiegeln der Alchimisten der Diamant aus niederer Kohlenglut erstrahlt, so wuchsen in den Waldgenisten zuweilen Weiber von erlesener Schön- heit auf. Sie waren, wie jeder in den Wäldern, dem Alten leibeigen, und auf seinen Reisen führte er stets Sänften im Gefolge mit. Wenn er in seinen kleinen Häusern vor den Toren die jungen Mauretanier zu Gaste hatte und guter Laune war, dann kam es vor, daß er die Odalisken zur Schau ausstellte, wie andere seiner Kostbarkeiten auch. Er ließ sie in das Billardzimmer rufen, wo man nach schwerem Mahle beim Ingwer-Trunk versammelt war, und setzte ihnen dort die Bälle zur Partie. Dann sah man die enthüllten Körper, im roten Lichtschein auf das grüne Tuch gebeugt, sich lang- sam in den mannigfachen Posen biegen und wen- den, die das Spiel verlangt. Aus seinen Wäldern hörte man in dieser Hinsicht Dinge, die gröber waren, wenn er nach langer Hetze auf den Fuchs, den Elch, den Bären auf der mit Waffen und Ge- weihen geschmückten Tenne zechte und im mit blutbetauten Brüchen besteckten Hochsitz saß.
     Daneben dienten solche Weiber ihm als Lock- vögel feinster Sorte, wo immer in der Welt er in Ge- schäfte verwickelt war. Wer sich den trügerischen Blüten, die dem Sumpf entsprossen waren, nahte, verfiel dem Banne, der die Niederung regiert; und schon so manchen sahen wir in unseren Maureta- nier-Zeiten untergehen, dem ein großes Schicksal winkte — denn in solchen Ränken verfängt am ersten sich der hohe Sinn.
     Derart war der Bestand beschaffen, der das Gebiet besiedeln sollte, wenn der Alte vollends über die Marina Herr geworden war. So folgen Stechapfel, Mohn und Bilsenkraut den edlen Früchten, wenn die Gärten vom Feind verwüstet sind. Dann würden statt der Spender von Wein und Brot die fremden Götter auf den Sockeln sich erheben — so die Diana, die in den Sümpfen zu wilder Fruchtbarkeit entartet war und dort mit traubenförmigen Behän- gen von goldenen Brüsten prunkte, und so die Schreckensbilder, die mit Klauen, Hörnern und Zähnen Furcht erregen und Opfer fordern, wie sie der Menschen nicht würdig sind.

                           13.
    So standen die Dinge im siebten Jahre nach Alta Plana, und auf diesen Feldzug führten wir die Übel, die das Land verdüsterten, zurück. Zwar hat- ten auch wir beide daran teilgenommen, und das Gemetzel vor den Pässen bei den Purpur-Reitern mitgemacht — doch nur, um unsere Lehenspflicht zu leisten, und in diesem Stande lag es uns ob, zu schlagen, nicht aber, nachzugrübeln, wo Recht und Unrecht war. Doch wie man seinem Arme leichter als dem Herzen gebieten kann, so lebte unser Sinn bei jenen Völkern, die ihre angestammte Freiheit so wacker gegen jede Übermacht verteidigten, und wir erblickten in ihrem Siege mehr als Waffen- glück.
     Auch hatten wir auf Alta Plana Gastfreundschaft gewonnen, denn vor den Pässen war der junge Ans- gar, der Sohn des Wirtes von der Bodan-Alp in un- sere Hand gefallen und hatte Geschenke mit uns ge- tauscht. Von der Terrasse sahen wir ganz in der Ferne die Bodan-Alp als eine blaue Matte, die tief im Meer der Gletscher-Zacken verborgen war, und der Gedanke, daß auf ihrem Talhof zu jeder Stunde Sitz und Stätte wie für Brüder für uns bereitet war, verlieh uns Sicherheit.
     Als wir in unserer Vater-Heimat hoch im Norden die Waffen wieder in die Rüstkammer eingeschlos- sen hatten, erfaßte uns der Sinn nach einem Leben, das von Gewalt gereinigt war, und wir gedachten unserer alten Studien. Wir kamen bei den Maure- taniern um ehrenvollen Abschied ein und wurden mit dem schwarz-rot-schwarzen Bande in die Feier- zunft versetzt. In diesem Orden hoch emporzustei- gen, hatte es uns wohl nicht an Mut und Urteilskraft gefehlt. Doch war die Gabe uns versagt geblieben, auf das Leiden der Schwachen und Namenlosen herabzusehen, wie man vom Senatoren-Sitze in die Arena blickt. Wie aber, wenn die Schwachen das Gesetz verkennen, und so in der Verblendung mit eigener Hand die Riegel öffnen, die zu ihrem Schütze geschlossen sind? So konnten wir auch die Maure- tanier nicht durchaus tadeln, denn tief war Recht und Unrecht nun vermischt; die Festen wankten, und die Zeit war für die Fürchterlichen reif. Die Menschen-Ordnung gleicht dem Kosmos darin, daß sie von Zeit zu Zeiten, um sich von neuem zu

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