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Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Titel: Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: fhl Verlag Leipzig UG
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schweigend.
    Es gibt immer wieder Momente der Nähe, dachte er. Sarah ist ein Hemmnis bei der Vergeltung, gewiss, aber doch auch deine Frau und Helferin zugleich, die alles mit dir teilt, jede Gefahr.
    Er gab ihre Hand wieder frei, doch es schien ihm, als wenn sie aufatmete.
    Sie kamen nicht schnell voran, da die vielen Caravans sie immer wieder behinderten. Aber die Fähre nach Melbu nahm sie noch auf, obwohl das Ablegemanöver schon begonnen hatte. Dann aber, als die Fähre etwa hundert Meter vom Ufer entfernt war, sahen sie den Volvo kommen und an der Anlegestelle halten.
    »Das war knapp«, entfuhr es ihm leise.
    Der Fahrer war aus dem Auto gestiegen und blickte der Fähre nach. Es sah nicht so aus, als ob er die Jagd nach ihnen aufgeben wollte. Wenn er so gewaltbereit ist, wie ich, dachte Bachmann, kann es böse enden.
    Und weiter ging die Fahrt, als sie die Fähre verlassen hatten. Um jede Pause musste Sarah betteln, ehe er kurz anhielt, denn die Ungeduld und die bevorstehende Rache trieben ihn weiter und weiter, er wollte keine Rast, nicht die Schönheit der Landschaft nahm er mehr wahr, nur das gewundene Betonband der Straße, Stunde um Stunde.
    Es war eine schnelle Fahrt, bei dem er die Nadel des Tachos bewusst im Auge behielt, um der Polizei nicht aufzufallen. Doch jeder Meter brachte ihn näher an Emmerlein heran und weg von dem weißen Volvo. Die Furien hetzen mich, dachte er einmal und lächelte verbissen, vielleicht hat Sarah wirklich recht mit diesem Vergleich – sie sind unerbittlich, sie sitzen mir im Nacken, sie ruhen nie.
    Endlich erspähte er den Abzweig, auf den er so lange gewartet hatte, konnte auf die Straße zu diesem Geisterdorf abbiegen, die eigentlich nur eine schmale Piste war, immer an der Küste entlang, zur Rechten die steilen Felsen, zur Linken den Abgrund, zwölf Kilometer lang.
    Was geschieht, wenn uns ein Auto entgegenkommt, überlegte er oder die Achse des Wagens bricht? Er verdrängte diese unangenehmen Gedanken, da er keine Antwort fand, doch fuhr er nun vorsichtiger, denn er musste zu diesem Geisterort gelangen, nichts anderes zählte mehr. Es galt nur noch anzukommen! Seine Zunge glitt über seine spröden Lippen, auf seiner Stirn stand kalter Schweiß.
    Sarah hüllte sich noch immer in ihr Schweigen.
    Doch nun war er froh.
    Er wollte kein Gespräch.
    Er wollte nur das eine: das Blut Emmerleins.

    Mit einem Tastendruck beendete Sarah unvermittelt die Musik, und er begriff sofort, warum sie es tat, denn vor sich sah er das gesuchte Dorf! Er spürte eine bohrende Unruhe in seinem Herzen, vergleichbar wohl mit der des Odysseus, als Ithaka bei der Heimkehr vor ihm lag nach all den Jahren, wie ein ungewisses Schicksal, und er hatte die Ahnung einer Gefahr, deren Ausmaß er noch nicht kannte, die ihm aber doch so groß erschien, als ob sie die Summe all der seltsamen ›Warnungen‹ war. Im Auto herrschte eine beklemmende Stille, als er den Wagen stoppte.
    Und er schaute auf halbverfallene Häuser auf Pfählen, in denen offenbar nur der Wind zu Hause war, zu dem Turm einer kleinen hölzernen Kirche, der ihm schmutzig weiß entgegenleuchtete und einem Berg hinter dem Dorf.
    Der Ort lag auf zwei Inseln, die durch eine Mole miteinander verbunden waren. An der Fahrrinne, dicht an dicht standen hölzerne Häuser. Und je näher sie dem Dorf kamen, um so bedrohlicher wurde das Bild, das sich ihnen bot: Häuser, denen manchmal ganze Wandteile fehlten, schienen ihnen mit ihren vernagelten Fensteraugen entgegenzublicken, ein ehemals rot gestrichenes Haus hatte sich schräg zum Wasser hinabgeneigt, zur nassen Fahrstraße zwischen den Inseln, von einem Haus stand nur noch das hölzerne Grundgerüst. Die Häuser waren einmal grün, rot und weiß gewesen, aber das verwitterte Rot überwog. Andere, bereits wieder intakt scheinende Häuser, klammerten sich an den moosbewachsenen Berg. Eine düstere Stille lag über dem Dorf, das unbewohnt erschien, völlig menschenleer.
    Aber das wohl Bedrückendste, was sie sahen, waren die Wolken, die sehr tief und drohend vom Meer heranzogen und deren pechfarbene Schwärze sie so zuvor noch nie gesehen hatten. Und es war ihnen, als hätten sie all die Möwen aufgesaugt, ihre Schreie und alles Leben. Und ein dumpfer, dröhnender Donner kam aus der Ferne, so gewaltig, als wollte er das Ende der Welt ankündigen.
    »Das letzte Dorf vor der Hölle«, hörte er Sarah leise sagen.
    Er parkte seinen Wagen dort, wo die Mole begann, auf der man zum Dorf laufen konnte.

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